NVL Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, 2. Auflage

5 Nicht-medikamentöse Therapie

Neben der körperlichen Aktivität, Beratung und medikamentösen Therapie gibt es eine Reihe nicht-medikamentöser Maßnahmen, welche die Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen unterstützen können. In diesem Kapitel werden nicht-medikamentöse Maßnahmen in alphabetischer Reihenfolge dargestellt und bewertet.

5.1 Akupunktur

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-1

Akupunktur kann zur Behandlung akuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen bei unzureichendem Erfolg symptomatischer und medikamentöser Therapien in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen in möglichst wenigen Sitzungen angewendet werden.

Literatur 24353, 24190, 24518

Offene Empfehlung

5-2

Akupunktur kann zur Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.

Literatur 24434, 24461, 24353, 24785

Offene Empfehlung

Zu den Effekten der Akupunktur bei akuten und subakuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurden drei Übersichtsarbeiten identifiziert 24353, 24190, 24518, die zu leicht unterschiedlichen Ergebnissen führten. Die Unterschiede ergeben sich aus verschiedenen Ein- und Ausschlusskriterien sowie Suchzeiträumen. Analysiert wurden in RCT im Vergleich zu Scheinakupunktur oder NSAR die Endpunkte Schmerzreduktion, Verbesserung der Funktionsfähigkeit und Gesamtverbesserung direkt post-interventionell und nach drei Monaten. Im Vergleich zu Scheinakupunktur beruhen die Ergebnisse auf insgesamt vier Primärstudien. Nach einer Sitzung konnte eine geringe Schmerzreduktion gezeigt werden, nach drei bis zwölf Sitzungen war kein Unterschied vorhanden 24190. Eine Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit durch Akupunktur konnte in den Studien nicht gezeigt werden 24190. Im Vergleich zu NSAR war Akupunktur bei Einschluss aller fünf identifizierten Studien (657 Patienten) mit einer signifikanten Verbesserung der Kreuzschmerzsymptomatik (RR 1,11 (95% KI 1,06; 1,16)) direkt nach Ende der Intervention verbunden. Diese war allerdings nicht mehr nachweisbar, wenn nur die zwei Studien mit geringem Biasrisiko eingeschlossen wurden. Bei längerem Verlauf bis drei Monate nach Behandlungsende war Akupunktur NSAR auf Basis der Evidenz aus einer Studie mit geringem Biasrisiko leicht überlegen (RR 1,07 (95% KI 1,02; 1,11)) 24190.

Zu den Effekten der Akupunktur bei chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurden vier Übersichtsarbeiten von RCT identifiziert 24434, 24461, 24353, 24785. In den meisten Auswertungen zeigten sich statistisch signifikante positive Effekte der Akupunktur auf Schmerzreduktion sowie Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit im Vergleich zu Scheinakupunktur, keiner Behandlung, medikamentöser Behandlung sowie "herkömmlicher Behandlung". Die Effektstärken waren direkt post-interventionell größer als nach einem längeren Verlauf, allerdings teilweise von fraglicher klinischer Relevanz. Ein großer Teil der in die Übersichtsarbeiten eingeschlossenen Primärstudien war von nur mäßiger methodischer Qualität und die meisten Auswertungen wiesen eine hohe Heterogenität auf. Eine Individual Patient Data Metaanalyse (siehe Glossar) methodisch guter und für diesen Vergleich homogener Studien fand ebenfalls eine signifikante Überlegenheit der Akupunktur gegenüber Scheinakupunktur (SMD 0,20 (95% KI 0,09; 0,32)) in der Behandlung chronischer Kreuzschmerzen 24785.

Bei der Elektro-Akupunktur werden die Akupunkturnadeln an den Akupunkturpunkten zusätzlich elektrisch stimuliert. In der Übersichtsarbeit von Lam et al. wurde Elektroakupunktur mit "herkömmlicher Behandlung" verglichen und war kurz- und mittelfristig besser in der Schmerzreduktion. Die eingeschlossenen Studien waren allerdings sehr heterogen, eine Sensitivitätsanalyse wurde nicht durchgeführt 24434.

Zusammenfassend werden durch Akupunktur kurzfristig positive Effekte von fraglicher klinischer Relevanz auf die Schmerzstärke erzielt. Bei Einschluss von ausschließlich qualitativ hochwertigen Studie konnte dieser Effekt im Vergleich mit NSAR jedoch nicht gezeigt werden Die Autoren der Leitlinie sehen die Akupunktur bei akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen nur dann als Mittel zur kurzfristigen Schmerzlinderung, wenn stärker empfohlene Maßnahmen (medikamentöse Therapie, körperliche Aktivität etc.) keinen Therapieerfolg gezeigt haben. Wie in den Studien beschrieben wurde, kann das bereits in einer oder sehr wenigen Sitzungen erreicht werden. Da es sich bei der Akupunktur um eine passive Maßnahme handelt, empfehlen die Autoren der Leitlinie, diese mit weiteren aktivierenden Maßnahmen zu kombinieren. Akupunktur ist nur bei chronischen Rückenschmerzen im Leistungskatalog der GKV enthalten.

5.2 Bettruhe

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-3

Bettruhe soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden. Den Betroffenen soll von Bettruhe abgeraten werden.

Literatur 24193, 24418

Starke Negativ-Empfehlung

Die Autoren der Leitlinie empfehlen bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen die möglichst weitgehende Beibehaltung oder baldige schrittweise Wiederaufnahme der täglichen körperlichen Aktivität anzustreben, da diese eine schnellere symptomatische Besserung fördert und zur Vermeidung einer Chronifizierung der Kreuzschmerzen beiträgt. Zusätzlich wird durch Bettruhe das passive Krankheitsverhalten (siehe Glossar) gefördert. Die Wahrscheinlichkeit ist daher hoch, dass häufige Bettruhe den Verlauf chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen ungünstig beeinflusst und zusätzlich negative Auswirkungen (Muskelschwund, Thromboembolien usw.) haben kann. Bettruhe kann zu chronischer Beeinträchtigung führen und behindert die Rehabilitation.

Mehrere systematische Übersichtsarbeiten von RCT bestätigen, dass Bettruhe bei akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen entweder keinen Effekt hat oder dass sie zu einer Verstärkung der Schmerzen, zur Verzögerung der Heilung und der Wiederaufnahme täglicher Aktivitäten sowie zu längeren Krankschreibungen führt 24193, 24418.

Im Rahmen der systematischen Recherche für diese Leitlinie wurden keine Studien gefunden, die Bettruhe als Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen untersucht haben.

5.3 Bewegung und Bewegungstherapie

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-4

Bewegungstherapie, kombiniert mit edukativen Maßnahmen nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien, kann zur Behandlung akuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen bei unzureichendem Heilungsverlauf und Einschränkungen der körperlichen Funktionsfähigkeit zur Unterstützung der körperlichen Aktivität angewendet werden.

Literatur 9296, 24583, 24195, 24590, 24404, 24589

Offene Empfehlung

5-5

Bewegungstherapie, kombiniert mit edukativen Maßnahmen nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien, soll zur primären Behandlung subakuter und chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen zur Unterstützung der körperlichen Aktivität angewendet werden.

Literatur 9296, 21582, 24533, 24367, 24374, 24394, 24468, 24492, 24590, 24589, 24514, 24520, 24356, 24357, 24420, 24353, 24365, 24438, 24447, 24466, 24469, 24456, 24354, 24583, 24584, 24493

Starke Empfehlung

Bei akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen waren unterschiedliche Bewegungstherapien in den meisten in den Übersichtsarbeiten eingeschlossenen Studien (meist RCT, eine Fall-Kontrollstudie, eine Kohortenstudie) nicht wirksamer als das Beibehalten der normalen Aktivität 9296, 24583, 24195, 24590. Es konnte aber gezeigt werden, dass früh einsetzende Interventionen mit dem Schwerpunkt der Reduzierung des Angst-Vermeidungs-Verhaltens die Entwicklung von chronischen Verläufen verhindern können 24404. Dabei waren Verbesserungen der körperlichen Funktionsfähigkeit mit signifikanten Veränderungen des Angst-Vermeidungs-Verhaltens verknüpft 24821. Daher sehen die Autoren dieser Leitlinie bei der Patientengruppe mit unzureichendem Heilungsverlauf und Einschränkungen der körperlichen Funktionsfähigkeit bei akuten Kreuzschmerzen eine Rolle für die Bewegungstherapie, wenn sie mit einem edukativen Anteil nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien kombiniert wird 24589.

Zur Behandlung von subakuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen hingegen ist die Bewegungstherapie im Vergleich zur allgemeinen medizinischen Versorgung und zu passiven Therapiemaßnahmen effektiver in Bezug auf Schmerzreduktion und bessere Funktionsfähigkeit 9296, 21582, 24533, 24367, 24374, 24394, 24468, 24492, 24590, 24589, 24514, 24520, 24356, 24357, 24420, 24353, 24365, 24438, 24447, 24466, 24469, 24456. Programme, die die Kräftigung der Muskulatur und Stabilisierung fördern, scheinen für die Linderung der Kreuzschmerzsymptomatik bessere Ergebnisse zu erzielen als kardiorespiratorisch ausgelegte Programme 24354, 24583. Bewegungsprogramme mit einem verhaltenstherapeutischen Ansatz (siehe Kapitel 5.3.1 Rehabilitationssport und Funktionstraining, Kapitel 5.20 Verhaltenstherapie und Kapitel 9 Multimodale Behandlungsprogramme) förderten in Übersichtsarbeiten von RCT neben einer Zunahme der körperlichen Funktionsfähigkeit auch eine schnellere Rückkehr in die Berufstätigkeit 24584, 24589.

Aus der aktuellen Studienlage ist nicht abzuleiten, welche Form der Bewegungstherapie (Übungen zur Verbesserung der Bewegungskontrolle und sensorischen Wahrnehmung, Muskeltraining, Aerobic, McKenzie-Methode, Dehnungsübungen, Yoga, Pilates, Tai Chi, Alexandertechnik u. v. a.). am effektivsten zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Funktionsfähigkeit beiträgt 24492, 24590, 24589, 21582, 24533, 24367, 24374, 24394, 24468, 24514, 24520, 24356, 24357, 24420, 24353, 24365, 24438, 24447, 24466, 24469, 24456. Entscheidend für die Auswahl einer Therapieform sind daher die Präferenzen der Betroffenen, ihre Alltagsumstände, ihre Fitness 24640 sowie die Anleitung durch einen qualifizierten Therapeuten.

5.3.1 Rehabilitationssport und Funktionstraining

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-6

Patienten mit subakuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen sollte unter folgenden Bedingungen die Teilnahme an einer Rehabilitationssport- bzw. Funktionstrainingsgruppe empfohlen werden:

  • anhaltende alltagsrelevante Aktivitätseinschränkungen1;
  • Gefährdung der beruflichen Wiedereingliederung.

Expertenkonsens

Abgeschwächte Empfehlung

Für den ambulanten Versorgungsbereich gibt es die Möglichkeit einer Intensivierung der Therapie in Form des Rehabilitationssports oder Funktionstrainings 24925. Die Entscheidung, ob Rehabilitationssport oder Funktionstraining angemessen ist, trifft der verordnende Arzt entsprechend der jeweiligen Zielsetzung. Eine Verordnung ist sinnvoll bei subakuten und chronischen Schmerzen mit funktionellen Einschränkungen, die die Teilhabe am täglichen Leben gefährden. Sie ist nicht dazu vorgesehen, mangelnde lokale Sportangebote auszugleichen.

Im Rehabilitationssport wird über Sport und sportliche Spiele Kraft, Koordination, Ausdauer und Flexibilität trainiert. Selbstbewusstsein, Selbsthilfe und die Motivation zu körperlicher Bewegung werden unter anderem durch gruppendynamische Effekte gestärkt. Daher findet Rehabilitationssport immer in Gruppen mit maximal 15 Teilnehmern statt, individuelles Gerätetraining wird nicht zum Rehabilitationssport gezählt. Eine Verordnung umfasst 50 Übungseinheiten, die innerhalb von 18 Monaten in Anspruch genommen werden und in Ausnahmefällen verlängert werden können.

Beim Funktionstraining werden Physiotherapie und Ergotherapie eingesetzt mit dem Ziel die Funktion zu erhalten oder zu verbessern, Schmerzen zu lindern und Hilfe zur Selbsthilfe und Krankheitsbewältigung zu geben. Funktionsverluste sollen vermieden oder hinaus gezögert werden. Im Gegensatz zum Rehabilitationssport ist das Funktionstraining eher fokussiert auf spezifische körperliche Strukturen wie bestimmte Muskelgruppen oder Gelenke. Auch das Funktionstraining findet in der Gruppe (bis zu 15 Teilnehmer) statt und kann für zwölf Monate verordnet werden.

Rehabilitationssport bzw. Funktionstraining kann im Anschluss an physiotherapeutische Anwendungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit eingesetzt werden, ist aber kein Ersatz dafür. Der Rehabilitationssport und das Funktionstraining sind als eine Ergänzung der ambulanten primärärztlichen Therapie zu sehen, können aber auch im Rahmen der Reha-Nachsorge nach einer medizinischen Rehabilitation genutzt werden (siehe Kapitel 9.3.2 Nachsorge nach Rehabilitation). Sie müssen vom Vertragsarzt verordnet (Formular Muster 56) und nachfolgend durch den Versicherungsträger (Krankenkasse, Rentenversicherung oder Unfallversicherung) genehmigt werden.

5.4 Entspannungsverfahren (Progressive Muskelrelaxation)

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-7

Bei erhöhtem Chronifizierungsrisiko kann das Entspannungsverfahren "Progressive Muskelrelaxation" (PMR) zur Behandlung akuter und subakuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.

Expertenkonsens

Offene Empfehlung

5-8

Das Entspannungsverfahren "Progressive Muskelrelaxation" (PMR) sollte zur Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.

Literatur 24198

Abgeschwächte Empfehlung

Da das Training der schnellen und tiefen Entspannung in der Regel einige Wochen dauert, sind Entspannungstechniken bei akuten Kreuzschmerzen nur eingeschränkt einsetzbar. Dies erklärt auch, dass keine Studien, die Entspannungsverfahren wie z. B. progressive Muskelrelaxation zur Behandlung akuter Kreuzschmerzen untersucht haben, gefunden werden konnten. Allerdings kann das Angebot, für dessen Wirksamkeit bei chronischen Kreuzschmerzen es Hinweise gibt, nach Ansicht der Leitlinienautoren bei Zeichen starker Verspannungen, Stressbelastungen und/oder vegetativer Störungen unterbreitet werden, um auf diese Weise möglicherweise chronischen Schmerzen vorzubeugen bzw. deren Ausprägung zu lindern.

Die Ergebnisse eines Cochrane Reviews (drei Studien, 74 Patienten) weisen darauf hin bei Personen mit chronischen nichtspezifischen Kreuzschmerzen einen kurzfristigen positiven Effekt der progressiven Muskelrelaxation auf Schmerzen (MD -19,77 (95% KI -34,34; -5,20)) und körperliche Funktionsfähigkeit (SMD -0,88 (95% KI -1,36; -0,39)) im Vergleich mit Patienten, die auf Wartelisten dafür standen 24198.

Die Autoren der Leitlinie empfehlen die Anwendung der verschiedenen Formen der Entspannungsverfahren und Elemente aus der Verhaltenstherapie in Kombination mit anderen Therapieverfahren im Rahmen multimodaler Behandlungsprogramme (siehe Kapitel 9 Multimodale Behandlungsprogramme). Dabei soll die Überleitung von Therapieinhalten in selbständig durchgeführte Aktivitäten (Verstetigung körperlicher/gesundheitssportlicher Aktivität) erfolgen, sodass erlernte Fähigkeiten selbständig in vielen Alltagssituationen angewendet werden können.

5.5 Ergotherapie

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-9

Ergotherapie soll zur Behandlung akuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 24195

Starke Negativ-Empfehlung

5-10

Ergotherapeutische Maßnahmen können zur Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen im Rahmen multimodaler Behandlungsprogramme angewendet werden.

Literatur 24195

Offene Empfehlung

Die recherchierten Übersichtsarbeiten zu ergotherapeutischen Maßnahmen bei Kreuzschmerzen konzentrieren sich auf die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Betroffenen mit der Untersuchung von verschiedenen Arbeitskonditionierungsprogrammen (Work hardening/Work conditioning, siehe Glossar). Diese Programme dienen der physischen Konditionierung und beinhalten Übungen zur funktionellen Wiederherstellung, Arbeitsanpassung und -ausdauer. Zum Einsatz von weiteren ergotherapeutischen Maßnahmen zur Verbesserung der Partizipation im Alltag wurden keine Studien gefunden.

Bei akuten Kreuzschmerzen waren Work hardening/Work conditioning in den drei in eine Übersichtsarbeit eingeschlossenen Studien mit keinem oder nur einem sehr geringem Effekt auf die Krankheitstage im Vergleich zu herkömmlicher Behandlung verbunden. Die Primärstudien konnten nicht gepoolt werden, hatten eine schlechte Evidenzqualität und teilweise ein hohes Verzerrungsrisiko 24195.

Intensive Arbeitskonditionierungsprogramme konnten bei Patienten mit chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen im Vergleich zu herkömmlicher Behandlung die Arbeitsunfähigkeitstage nach drei Monaten nicht (SMD -1,01 (95% KI -2,11; 0,09)) und nach zwölf Monaten knapp signifikant reduzieren (SMD -0,23 (95% KI -0,42; -0,03)). Im Vergleich zu Bewegungstherapie konnte keine Senkung der Krankschreibungsdauer nach sechs und zwölf Monaten erreicht werden. Arbeitskonditionierungstraining in Kombination mit kognitiver Verhaltenstherapie war nach sechs und zwölf Monaten nicht effektiver als allein (SMD 0,26 (95% KI -0,50; 1,03), SMD 0,05 (95% KI -0,30; 0,40)) 24195.

Im Rahmen von multimodalen Behandlungsprogrammen können ergotherapeutische Maßnahmen (arbeitsrelevante Betätigungen und Maßnahmen zur Umweltanpassung) dennoch durchgeführt werden, um allgemeine gesundheitsfördernde Effekte zu erzielen, Schmerzen zu mindern, die Teilhabe zu steigern, die Wiederaufnahme von Arbeit zu beschleunigen, den funktionellen Status zu verbessern und Fehlzeiten am Arbeitsplatz zu verringern (siehe Kapitel 9 Multimodale Behandlungsprogramme).

5.6 Interferenzstromtherapie

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-11

Interferenzstromtherapie soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 13950, 8583, 8471, 24766, 24767

Starke Negativ-Empfehlung

Für die Anwendung von Interferenzstromtherapie bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden 13950, 8583, 8471, 24766, 24767. Zusätzlich wird durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

In der Recherche 2015 wurden zwei neuere randomisierte kontrollierte Studien zur Anwendung von Interferenzstromtherapie bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen identifiziert, Übersichtsarbeiten wurden nicht gefunden 24767, 24766. Die Anwendung von Interferenzstromtherapie als manueller Massage mit einem Gerät zur Stromapplikation führte im Vergleich zu manueller Massage ohne Stromapplikation zu einer signifikanten Linderung der Schmerzen sowie der Funktionseinschränkung, jedoch ohne klinische Relevanz 24766. Eine weitere Studie konnte im Vergleich von Interferenzstromtherapie und TENS keinen Unterschied finden 24767.

5.7 Kinesio-Taping

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-12

Kinesio-Taping soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 24373, 24395

Starke Negativ-Empfehlung

Für die Anwendung von Kinesio-Tapes bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden.

Es konnten keine Studien gefunden werden, die die Wirksamkeit von Kinesio-Tapes nur für akute nicht-spezifische Kreuzschmerzen untersucht haben 24373.

Zwei Übersichtsarbeiten bewerteten den Nutzen von Kinesio-Tapes bei chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen als unzureichend 24373, 24395. Eine Meta-Analyse von vier kleineren RCT mäßiger bis guter Qualität ergab keinen Vorteil für die Anwendung von Kinesio-Tapes bezüglich Schmerzreduktion und Zunahme der körperlichen Funktionsfähigkeit gegenüber Scheinbehandlung direkt nach der Anwendung. Lediglich eine eingeschlossene Studie konnte signifikante positive Effekte auf die Schmerzstärke (SMD -0,78 (95% KI -1,30; -0,25)) nach einem Monat nachweisen 24373.

Wie in Kapitel 4.1 Grundsätze der Therapie nicht-spezifischer Kreuzschmerzen erläutert, wurden für Interventionen ohne Nutzennachweis eine starke Negativ-Empfehlungen formuliert, auch wenn, wie für Kinesio-Taping, kein Schaden belegt war. Im individuellen Fall, in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen und bei fehlenden Alternativen kann die Anwendung dieser Verfahren aber dennoch angemessen sein. Kinesio-Taping ist nicht im Leistungsumfang der GKV enthalten.

5.8 Kurzwellendiathermie

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-13

Kurzwellendiathermie soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 13949, 8071, 8215, 24769

Starke Negativ-Empfehlung

Für die Anwendung von Kurzwellendiathermie bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden 13949, 8071, 8215, 24769. Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

In der Literaturrecherche 2015 konnte lediglich eine aktuellere randomisierte kontrollierte Studie (39 Patienten) zur Anwendung von Kurzwellendiathermie bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen identifiziert werden. Die Anwendung von Kurzwellendiathermie zusätzlich zu Bewegungstherapie konnte keine Verbesserung der Schmerzsymptomatik und Funktionseinschränkung im Vergleich zu alleiniger Bewegungstherapie bewirken 24769.

5.9 Lasertherapie

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-14

Lasertherapie soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 13360, 24574

Starke Negativ-Empfehlung

Für die Anwendung von Lasertherapie bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden. Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

Studien zur Wirksamkeit von Low-Level-Laser zur Behandlung von akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurden nicht gefunden.

Zwei systematische Übersichtsarbeiten von RCT beschäftigten sich mit der Anwendung von Low-Level-Laser bei chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen 13360, 24574. Ein Cochrane Review schloss drei kleine aber hochwertige Studien zum Vergleich von Laser- und Scheinbehandlung ein. Diese Studien wiesen allerdings eine starke Heterogenität auf, so dass eine Meta-Analyse nicht möglich war 13360. Weiterhin wurde anhand von zwei kleinen qualitativ hochwertigen Studien (insgesamt 61 Patienten) in den beiden Übersichtsarbeiten die Kombination von Laser- und Bewegungstherapie mit der Kombination von Scheinbehandlung und Bewegungstherapie verglichen. In Bezug auf die Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit ergab sich kein Vorteil durch Lasertherapie. In den Meta-Analysen zur Schmerzreduktion kamen die beiden Arbeiten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der Cochrane Review rechnete ein Random-Effects-Modell (siehe Glossar) und kam zu keinem signifikanten Ergebnis (MD -6,38 (95% KI -15,68; 2,91)) 13360. Die Arbeit von van Middelkoop et al. rechnete ein Fixed-Effects-Modell (siehe Glossar) und kam zu einem signifikanten Vorteil (MD -13,57 (95% KI -26,67; -0,47)), ohne klinische Relevanz 24574. Lasertherapie für Kreuzschmerzen ist nicht im Leistungsumfang der GKV enthalten.

5.10 Magnetfeldtherapie

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-15

Magnetfeldtherapie soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 16512

Starke Negativ-Empfehlung

Für die Anwendung von Magnetfeldtherapie bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden. Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

Eine 2007 veröffentlichte Übersichtsarbeit liefert keinen Beleg für positive Effekte bei der Schmerzreduktion durch die Magnetfeldtherapie 16512. In der 2015 durchgeführten Literaturrecherche konnten keine neueren Studien oder Übersichtsarbeiten gefunden werden. Magnetfeldtherapie ist nicht im Leistungsumfang der GKV enthalten.

5.11 Manuelle Therapie (Manipulation/Mobilisation)

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-16

Manipulation/Mobilisation kann zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.

Literatur 24352, 24204, 24380, 24453

Offene Empfehlung

Manipulative Therapie sowie Muskel Energie Technik (MET) (siehe Glossar) waren im Vergleich mit Scheinbehandlung oder anderen Therapien bei Patienten mit akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen nicht effektiver in der Schmerzreduktion oder Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit. Die Kombination mit einer anderen Therapie (Interferenz-, Bewegungstherapie) führte zu einer kurzzeitigen Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit (MET: eine Studie, 40 Patienten (MD -17,6 (95% KI -27,05; -8,15)); MT: vier RCT, 225 Patienten (SMD -0,41 (95% KI -0,73; -0,10))) nicht aber zu einer Schmerzreduktion gegenüber der anderen Therapie allein 24352, 24204.

In einer gemischten Metaanalyse für akute und chronische Kreuzschmerzen führte manipulative Therapie im Vergleich zu keiner Therapie oder anderen passiven Therapieverfahren zu einer signifikanten Verbesserung der Schmerzintensität (MD -12,91 (95% KI -20,00; -5,82)) und körperlichen Funktionsfähigkeit (SMD -0,36 (95% KI -0,58; -0,14)). In einer Subanalyse für chronische Kreuzschmerzen bestätigten sich die Ergebnisse für die Endpunkte Schmerz (MD -14,93 (95% KI -25,18; -4,68)) und Funktionsfähigkeit (SMD -0,32 (95% KI -0,58; -0,07)) 24380.

Weitere Übersichtsarbeiten ergaben für manipulative Maßnahmen und MET allein keine Vorteile im Vergleich zu Scheinbehandlung oder anderen Therapien bei chronischen Kreuzschmerzen 24453, 24352. MET kombiniert mit Bewegungstherapie (eine Studie, 30 Patienten) war im Vergleich mit Bewegungstherapie allein signifikant effektiver bezüglich der Schmerzreduktion (MD -34,10 (95% KI -38,43; -29,77)) und körperlichen Funktionsfähigkeit (MD -22,00 (95% KI -27,41; -16,59)) 24352.

Manualtherapeutische Eingriffe an der lumbalen Wirbelsäule oder den Iliosakralgelenken können nach sorgfältiger Indikationsstellung unter Beachtung der Kontraindikationen (Vorliegen von "red flags", radikuläre Symptomatik, erhöhtes Frakturrisiko) angewandt werden. Nach Durchführung einer Probemobilisation vor der Manipulation erachten die Autoren der Leitlinie eine vorherige routinemäßige Röntgenuntersuchung als nicht notwendig 18872.

5.12 Massage

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-17

Massage soll zur Behandlung akuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 24744

Starke Negativ-Empfehlung

5-18

Massage kann zur Behandlung subakuter und chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen angewendet werden.

Literatur 24744, 24456, 24518, 24574

Offene Empfehlung

Ein Nutzen von Massage bei akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen ist auf der Grundlage der vorliegenden Evidenz basierend auf einem kleinen qualitativ schlechten RCT (n=51) nicht abzuschätzen. Massage erzielte verglichen mit herkömmlicher Behandlung eine kurzzeitige Schmerzreduktion (SMD -1,24 (95% KI -1,85; -0,64)), jedoch keine Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit 24744. Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

Zur Einschätzung der Wirksamkeit von Massage bei subakuten oder chronischen Kreuzschmerzen konnten die Ergebnisse aus vier Übersichtsarbeiten herangezogen werden 24744, 24456, 24518, 24574. Die sinnvolle Zusammenfassung der verfügbaren Evidenz ist jedoch aufgrund der Überschneidung der eingeschlossenen Studien sowie der Vielfalt der angewendeten (Kontroll-)Interventionen erschwert. Der Vergleich von Massage und passiven/inaktiven Kontrollbehandlungen ergab in drei Übersichtsarbeiten von RCT keinen Unterschied bzw. inkonsistente Ergebnisse bezüglich Schmerzintensität und körperlichen Funktionsfähigkeit 24574, 24456, 24518. Im Vergleich zu einer aktiven Kontrollbehandlung konnte durch Massage eine kurz- und langfristige Besserung der Schmerzen (SMD -0,37 (95% KI -0,62; -0,13); SMD -0,4 (95% KI -0,8; -0,01)) erreicht werden 24744. Insgesamt sind die Effekte klein und von fraglicher klinischer Relevanz, allerdings kann Massage zum Wohlbefinden der Betroffenen beitragen und die Compliance für aktivierende Maßnahmen unterstützen.

5.13 Medizinische Hilfsmittel

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-19

Medizinische Hilfsmittel sollen zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 13361, 15815, 15814, 24201

Starke Negativ-Empfehlung

Für die Anwendung von medizinischen Hilfsmitteln bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden. Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

Orthesen

Im Rahmen der systematischen Recherche 2015 konnten keine neueren Studien gefunden werden, welche die Wirksamkeit von Orthesen für nicht-spezifische Kreuzschmerzen untersucht haben. Die in einen 2008 erschienen Cochrane Review eingeschlossenen RCT bezogen sich auf eine gemischte Populationen aus akuten, subakuten und chronischen Kreuzschmerzen oder die Dauer der Kreuzschmerzen wurde nicht definiert 13361. Eine sinnvolle Zusammenfassung und Bewertung der verfügbaren Evidenz ist aufgrund der Heterogenität und der methodischen Qualität der Studien schwierig 13361, 15815, 15814. Es bleibt unklar, ob Orthesen in Bezug auf Schmerzreduktion und Steigerung der körperlichen Funktionsfähigkeit effektiver gegenüber keiner oder anderen Therapien sind. Auch hinsichtlich des präventiven Einsatzes von Orthesen ist die Evidenz uneinheitlich.

Schuheinlagen

Eine systematische Übersichtsarbeit beschäftigte sich mit der präventiven und therapeutischen Anwendung von Schuheinlagen bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen. Die Meta-Analysen der methodisch schwachen und heterogenen RCT ergaben weder für die Schmerzprävention noch für die Schmerzreduktion einen positiven Effekt. Eine der eingeschlossenen Studien (60 Patienten) legt nahe, dass Patienten mit pathologisch pronierter Fußhaltung von Schuheinlagen profitieren könnten (ES -1,91 (95% KI -2,63; -1,19)) 24201.

5.14 Perkutane elektrische Nervenstimulation (PENS)

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-20

PENS soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 24574, 24628

Starke Negativ-Empfehlung

Für die Anwendung von PENS bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden. Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

Für die Wirksamkeit von PENS zur Behandlung akuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen konnten keine Studien identifiziert werden.

Zwei Übersichtsarbeiten von RCT untersuchten die Wirksamkeit von PENS zur Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen. Im Vergleich mit TENS wies die Anwendung von PENS eine signifikante kurzfristigen Reduktion der Schmerzintensität (WMD 16,64 (95% KI 5,86; 27,41)) auf 24574. Die zweite Arbeit verglich die Effektivität von PENS mit Schein-PENS bei Patienten über 65 Jahren und kam zu inkonsistenten Ergebnissen in Bezug auf die Schmerzreduktion und Funktionszunahme. Ebenso ergab sich in Kombination mit Bewegungstherapie keine statistisch signifikante Besserung der Schmerzsymptomatik und der Funktionsfähigkeit bei älteren Patienten 24628.

5.15 Rückenschule

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-21

Rückenschule, die auf einem biopsychosozialen Ansatz basiert, kann bei länger anhaltenden (> sechs Wochen) oder rezidivierenden, nicht-spezifischen Kreuzschmerzen angewendet werden.

Literatur 9297, 10862, 24574, 17130, 18629

Offene Empfehlung

In einem 2004 veröffentlichten Cochrane Review von RCT finden sich widersprüchliche Wirksamkeitsbelege für Rückenschule zur Behandlung akuter und subakuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen bezüglich Schmerzreduktion, Zunahme der körperlichen Funktionsfähigkeit sowie Rückkehr zum Arbeitsplatz verglichen mit anderen Therapiemaßnahmen 9297.

Für rezidivierende sowie chronische nicht-spezifische Kreuzschmerzen finden sich Hinweise für eine kurz- bis mittelfristige Besserung von Schmerz und Funktionsfähigkeit 9297. Allerdings waren die eingeschlossenen Studien sehr heterogen und von mäßiger Qualität. Die Inhalte und Strukturen der Rückenschulen sind sehr unterschiedlich, somit ist ihre Bewertung schwierig. Insgesamt scheint die Rückenschule vor allem in einem berufsbezogenen Setting effektiver zu sein als andere konservative Therapieverfahren 9297, 10862. Eine neuere Übersichtsarbeit von RCT konnte für verschiedene Rückenschulprogramme keine Verbesserung der Schmerzen oder der körperlichen Funktionsfähigkeit verglichen mit Bewegungstherapie oder abwartendem Verhalten finden 24574.

Im Rahmen von multimodalen Behandlungsprogrammen kann eine Rückenschule nach biopsychosozialem Ansatz, die beratende und bewegungsfördernde Aspekte beinhaltet, zusätzlich zu verhaltens-, ergo- und physiotherapeutischen Maßnahmen empfohlen werden (siehe Kapitel 9 Multimodale Behandlungsprogramme). Ziel ist die Verbesserung der physischen und psychosozialen Gesundheitsressourcen, die Verminderung von Risikofaktoren für Rückenschmerzen und der Aufbau und die Bindung an gesundheitsorientierte körperliche Aktivität sowie die Sensibilisierung für haltungs- und bewegungsförderliche Verhältnisse. Dabei wird es als sinnvoll erachtet, dass erlebnisorientierte körperliche/sportliche Aktivität, Strategien zur Schmerz- und Stressbewältigung, Entspannungsverfahren, Körperwahrnehmung und Wissensvermittlung dabei im Vordergrund stehen 17130, 18629.

5.16 Thermotherapie (Wärmetherapie/Kältetherapie)

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-22

Wärmetherapie kann im Rahmen des Selbstmanagements in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.

Literatur 24418, 4686, 24210, 24591

Offene Empfehlung

5-23

Kältetherapie sollte zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 4686

Abgeschwächte Negativ-Empfehlung

Eine Übersichtsarbeit untersuchte anhand von zwei Studien (295 Patienten) die Wirksamkeit von Wärmepflastern bei Patienten mit akuten Kreuzschmerzen 24418. Es konnten kurzzeitige positive Effekte auf die Endpunkte Schmerzintensität (MD -13,5 (95% KI -21,3; -5,7)) und körperliche Funktionsfähigkeit (MD -8,9 (95% KI -13,7; -4,0)) im Vergleich zu oralem Placebo nachgewiesen werden. Die Kombination von Wärmepflaster und Bewegung führte in einer Studie (49 Patienten) zu einer signifikanten Besserung der Schmerzen (MD 1,10 (95% KI 0,22; 1,98)) und der Funktionseinschränkungen (MD -2,70 (95% KI -4,92; -0,48)) gegenüber alleiniger Wärmetherapie 4686. Auch für Capsaicin-haltige Pflaster und Cremes (Capsicum frutescens) konnte in Einzelstudien eine signifikante Verbesserung von akuten und chronischen Kreuzschmerzen im Vergleich zu Placebo gefunden werden 24210, 24591 (auch siehe Kapitel 6 Medikamentöse Therapie).

Zum Einsatz von Kältetherapie bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen liegen keine aussagefähigen Untersuchungen vor, so dass eine Aussage zur Wirksamkeit von lokaler Kälte zurzeit nicht möglich ist 4686.

Aufgrund der bestehenden Evidenz raten die Autoren der Leitlinie den Betroffenen von der Anwendung von Wärme (z. B. durch Pflaster, Körnerkissen) wie auch Kälte (z. B. durch Kühlpacks) als Selbstmanagement in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen nicht ab, da sie wahrscheinlich zum Wohlbefinden beitragen und nicht schaden. Sollte es jedoch durch Wärmeanwendungen zu einer Schmerzsteigerung kommen, ist die Diagnose zu überprüfen, da bei Tumoren oder Entzündungen eine wärmeinduzierte Hyperämie zur Verstärkung der Beschwerden führt 10862.

Eine Verschreibung von thermotherapeutischen Maßnahmen erachten die Autoren der Leitlinie aufgrund der schwachen Wirksamkeitsnachweise jedoch als nicht gerechtfertigt.

5.17 Traktion mit Gerät

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-24

Traktion mit Gerät soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 24435, 24574

Starke Negativ-Empfehlung

Für die Traktionsbehandlung bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden. Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

Die Datenlage anhand von zwei systematischen Übersichtsarbeiten von RCT spricht gegen eine Wirksamkeit der Traktionsbehandlung bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen. Traktion scheint in einer gemischten Population (akute, subakute, chronische Kreuzschmerzen) nicht effektiver zu sein als Schein-/Placebobehandlungen 24435. Auch im Vergleich mit Physiotherapie ergab sich kein signifikanter Unterschied bezüglich Schmerzreduktion und Funktionszunahme bei Patienten mit chronischen Kreuzschmerzen 24435, 24574.

5.18 Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-25

TENS soll zur Behandlung akuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Expertenkonsens

Starke Negativ-Empfehlung

5-26

TENS sollte zur Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 24545, 24574

Abgeschwächte Negativ-Empfehlung

Für die Anwendung von TENS bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden. Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

In der Literaturrecherche wurden keine Studien gefunden, die die Wirksamkeit von TENS bei der Behandlung von akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen untersucht haben.

Bei chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen sind die Wirksamkeitsbelege aus der Literatur für die Anwendung von TENS widersprüchlich. Die zwei identifizierten Übersichtsarbeiten weisen allerdings darauf hin, dass TENS nicht wirksamer als Placebo oder andere Therapien (PENS, Stoßwellentherapie) für die Schmerzlinderung oder Verbesserung der Funktionsfähigkeit bei chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen ist 24545, 24574.

5.19 Therapeutischer Ultraschall

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-27

Therapeutischer Ultraschall soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 24202, 24545

Starke Negativ-Empfehlung

Für die Anwendung von therapeutischem Ultraschall bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurde kein Wirksamkeitsnachweis gefunden. Zusätzlich kann durch diese Art der Therapie die Passivität gefördert werden und dies steht im Widerspruch zu dem primären Behandlungsziel, die Betroffenen zu aktivieren.

Studien zur Wirksamkeit von Ultraschall zur Behandlung akuter nicht-spezifischer Kreuzschmerzen wurden nicht gefunden.

Zwei systematische Übersichtsarbeiten von RCT beschäftigten sich mit der Anwendung von Ultraschall bei chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen. In Bezug auf Schmerzen ergab sich für therapeutischen Ultraschall kein Vorteil gegenüber Placebo, jedoch in Bezug auf körperliche Funktionsfähigkeit zeigte sich ein kleiner signifikanter Effekt (SMD -0,45 (95% KI -0,84; -0,05)), allerdings ohne klinische Relevanz 24202. Im Vergleich mit anderen Therapien war therapeutischer Ultraschall unterlegen 24545.

5.20 Verhaltenstherapie

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

5-28

Bei Vorliegen psychosozialer Risikofaktoren soll bei subakuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen eine auf das individuelle Risikoprofil bezogene kognitive Verhaltenstherapie angeboten werden.

Literatur 24403, 24507, 24584, 18879, 24184

Starke Empfehlung

5-29

Kognitive Verhaltenstherapie soll zur Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen im Rahmen von Bewegungsprogrammen oder multimodalen Behandlungskonzepten angewendet werden.

Literatur 24585, 24198, 24574, 24584, 24589, 24216

Starke Empfehlung

Zur Wirksamkeit von verhaltenstherapeutischen Verfahren bei akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen konnten in der Literaturrecherche keine Übersichtsarbeiten identifiziert werden.

Für Patienten mit subakuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen und einem hohen Risiko für eine Chronifizierung weisen mehrere Arbeiten auf eine Verbesserung der Schmerzen, der körperlichen Funktionsfähigkeit, der Lebensqualität, der Häufigkeit der Inanspruchnahme von Gesundheitseinrichtungen und der Rückkehr an den Arbeitsplatz durch eine "Risikofaktorenbasierte Kognitive Verhaltenstherapie" (RKVT) 24403, 24507, 24584, 18879, 24184. Die Implementierung einer risiko-basierten Behandlungsstrategie in den normalen Versorgungsalltag führte im Rahmen eines multizentrischen Forschungsprojektes zu tendenziell positiven Ergebnissen, diese waren jedoch nicht signifikant. Die notwendigen Patientenzahlen konnten nicht erreicht werden 24819, 24820.

Für Patienten mit chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen bewirken verhaltenstherapeutische Behandlungen allein eine kurzfristige signifikante Schmerzlinderung verglichen mit Patienten, die auf Wartelisten dafür standen. Die Ergebnisse für die Funktionsfähigkeit und der Vergleich mit anderen Therapien (Bewegung, Physiotherapie, Edukation, Muskelrelaxation) ergeben inkonsistente Ergebnisse 24585, 24198, 24574. Zwischen den verschiedenen Arten von Verhaltenstherapie (operant, kognitiv, respondent) finden sich keine sicheren Wirksamkeitsunterschiede 24574, 24198. Kombiniert man Bewegungsprogramme mit verhaltenstherapeutischen Methoden fördern diese neben einer Zunahme der körperlichen Funktionsfähigkeit auch eine schnellere Rückkehr in die Berufstätigkeit 24584, 24589.

In der Versorgung finden verhaltenstherapeutische Methoden als Teil von Bewegungstherapien (siehe Kapitel 5.3 Bewegung und Bewegungstherapie) und im Rahmen von multimodalen Behandlungsprogrammen Anwendung (siehe Kapitel 9 Multimodale Behandlungsprogramme). Sie setzen am Symptom, den Chronifizierungsprozessen sowie an den Mechanismen der Aufrechterhaltung der Beschwerden an. Der kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansatz bei der Behandlung von Schmerzerkrankungen basiert auf den allgemeinen Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie. Die Grundannahme beruht auf einer Interdependenz kognitiver, emotionaler und von Verhaltensprozessen sowie auf Erfahrungen zur Wirksamkeit kognitiver Strategien (attributionale Prozesse, Aufmerksamkeit, Interpretation). Diese werden gezielt für die Veränderung kognitiver Prozesse (Überzeugungen, Einstellungen, Erwartungen, Schemata, "automatische Gedanken") eingesetzt und regelmäßig durch behaviorale Methoden ergänzt, die unmittelbar auf eine Verhaltensänderung abzielen (z. B. die Schließung von Verhaltenskontrakten, Aktivitätslisten). Da kognitive und direkt verhaltensändernde Interventionen ineinander greifen, stellen beide Ansätze nur in ihrer Kombination eine sinnvolle Vorgehensweise dar. In den letzten Jahren wurde der verhaltenstherapeutische Ansatz in der Behandlung chronischer Schmerzen dahingehend erweitert, dass die Akzeptanz des Schmerzproblems durch den Patienten stärker betont wird.

Bei subakuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen zielen sie auf eine Modifikation der psychosozialen Risikofaktoren (siehe Kapitel 2.2 Risikofaktoren für die Chronifizierung akuter Kreuzschmerzen) zu einem möglichst frühen Zeitpunkt ab, um eine Chronifizierung von Schmerzen und Beeinträchtigung zu verhindern. Bei Patienten mit chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen ist es das Ziel, den Patienten durch akzeptanzbasierte Strategien trotz Schmerzen zu einer aktiven und bewussten Lebensgestaltung zu befähigen. Eine Cochrane-Analyse (41 Studien mit 6 858 Patienten) belegt signifikante Vorteile für verhaltensorientierte multimodale Therapien verglichen mit herkömmlicher Behandlung für die Endpunkte Schmerzintensität (SMD 0,21 (95% KI 0,37; 0,04)) und körperliche Funktionsfähigkeit (SMD 0,23 (95% KI 0,04; 0,06)) nach zwölf Monaten. Die erzielten Effekte waren moderat mit kleinem klinisch relevantem Effekt, bei z. T. starker Heterogenität der eingeschlossenen Studien. Die verhaltensorientierte Therapie wirkt sich zudem günstiger auf den Arbeitsstatus der Patienten aus 24216.


1 "Alltagsrelevante Aktivitätseinschränkung" definiert sich entsprechend der individuellen Situation der Betroffenen, z. B. Unfähigkeit, die üblichen Aufgaben oder Aktivitäten durchzuführen oder Arbeitsunfähigkeit bei Erwerbstätigen.

NVL Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, 2. Auflage, 2017. Version 1

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