NVL Typ-2-Diabetes (2023)

Anhang

Anhang 1 Vorbereitung für das Gespräch mit der Ärztin/dem Arzt

Reden Sie mit uns …

Nehmen Sie sich bitte einen Moment Zeit und versuchen Sie, die folgenden vier Fragen zu beantworten, bevor Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt sprechen. Vielleicht hilft es Ihnen, dabei an Ihre Familie und Freunde, Ihre Partnerschaft, Ihre Arbeit, Ihre Nachbarschaft, Ihre Finanzen, Ihr Schicksal, Ihre Gefühle, Ihre Schlaf- und Essgewohnheiten oder Ihre Hobbys zu denken.

Was sollte Ihre Ärztin/Ihr Arzt unbedingt über Sie wissen, auch wenn es nicht unmittelbar Ihre Gesundheit betrifft?

 

 

 

 

Welche Empfehlung Ihrer Ärztin/Ihres Arztes hat Ihnen am meisten geholfen?

 

 

 

 

Welche Empfehlung Ihrer Ärztin/Ihres Arztes bezüglich Ihrer Gesundheit empfinden Sie als besondere Belastung?

 

 

 

 

 

Wobei brauchen Sie mehr Unterstützung oder Information, was Ihr Leben mit der Erkrankung betrifft?

 

 

 

 

 

(modifiziert nach "Tell us about your Life", https://patientrevolution.org/s/Reflection_Doc_8_F_2016.pdf)


Anhang 2 Umsetzungs-Barrieren auf Seite der Behandelnden

Beispiele für Barrieren bei der Umsetzung vereinbarter Therapieziele auf Seite der Behandelnden

Kommunikationsgestaltung

🠒 Kommunikation zwischen Ärztin/Arzt und Patient*in?

🠒 Besteht eine vertrauensvolle Beziehung zu der Patientin/dem Patienten?

🠒 Ausreichende Einbeziehung der Patientin/des Patienten in Therapieentscheidungen?

Erkennen von Barrieren (Beispiele): Lösungsansätze (Beispiele):
  • Habe ich im Gespräch eine akzeptierende, wertschätzende und empathische Haltung eingenommen?
  • Habe ich nach ihrem/seinem Anliegen gefragt und danach, was sie/er in diesem Gespräch von mir erwartet?
  • Habe ich das Anliegen der Patientin/des Patienten wahrgenommen und den Inhalt des Gespräches auch darauf abgestimmt?
  • Habe ich im Gespräch die Wünsche und Erwartungen aufgegriffen?
  • Habe ich im Gespräch die Patientin/den Patienten ermuntert, selbst Fragen zu stellen oder nachzufragen?
  • Habe ich im Gespräch die Eigeninitiative der Patientin/des Patienten aktiv gefördert?
  • Habe ich die konkreten Therapieziele – vor allem auch Etappenziele – mit der Patientin/dem Patienten besprochen und mit ihr/ihm eine Vereinbarung getroffen?
  • Habe ich die zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen mit ihrem Nutzen-Schadens-Potenzial ausführlich mit der Patientin/dem Patienten besprochen?
  • Habe ich gegebenenfalls danach gefragt, was sie/ihn an der Erfüllung der Therapieziele hindert und ob bzw. wie ich ihrer/seiner Meinung nach helfen kann?
  • Habe ich zum Abschluss des Gespräches eine konkrete Vereinbarung mit der Patientin/dem Patienten getroffen oder mit ihr/ihm ein bestimmtes Thema für den nächsten Termin vereinbart?
  • Hatte ich für das Gesprächsthema genügend Zeit oder sollte ich das Thema das nächste Mal noch einmal aufgreifen?
  • Reflektion der eigenen Kommunikationsgestaltung (z. B. Zeitplanung? passende Gesprächssituation?)
  • Nachfragen, wie die Patientin/der Patient das Gespräch empfunden hat
  • Fragebögen zur Zufriedenheit der Patient*innen einsetzen und auswerten
  • Fortbildung für kommunikative Kompetenzen
  • Nutzung von Unterstützungsangeboten (z. B. Dolmetscher*in)

Therapieplanung

🠒 Zeitgerechte Initiierung oder Anpassung der Therapie ("clinical inertia")?

🠒 Ausreichende Berücksichtigung person- und umweltbezogener Kontextfaktoren?

Erkennen von Barrieren (Beispiele): Lösungsansätze (Beispiele):
  • Sollte bei der Patientin/dem Patienten die Therapie initiiert oder angepasst werden?
  • Habe ich den Behandlungsverlauf mit allen wichtigen Informationen im Blick?
  • Habe ich bei der Therapieplanung relevante person- und umweltbezogene Kontextfaktoren mit einbezogen?
  • Habe ich mit der Patientin/dem Patienten über mögliche Barrieren der Umsetzung im Vorfeld gesprochen und ggf. gemeinsam vorausschauend nach alternativen Lösungen gesucht?
  • Erarbeitung und Anwendung von Behandlungsroutinen (SOPs = Standard Operation Procedure)
  • Gezielte Planung der Konsultationen
  • Digitale Unterstützung zum Erkennen des richtigen Zeitpunkts zur Initiierung oder Anpassung der Therapie
  • Monitoring von Behandlungserfolgen
  • Systematische Überprüfung der Therapien
  • Qualitätsmanagement (Überprüfung der Prozess- und Ergebnisqualität)

Leitliniengerechtes Vorgehen

🠒 Kenntnisse aktueller leitliniengerechter Therapieempfehlungen?

🠒 Umsetzung der evidenzbasierten Leitlinien?

🠒 Ist die Anwendbarkeit evidenzbasierter Therapieempfehlungen für die individuelle Patientin/den individuellen Patienten unklar?

Erkennen von Barrieren (Beispiele): Lösungsansätze (Beispiele):
  • Kenne ich die aktuellen leitliniengerechten Therapieempfehlungen?
  • Habe ich bei der Therapieplanung die Empfehlungen der wissenschaftlichen Leitlinien berücksichtigt?
  • Habe ich bei der Patientin/dem Patienten die Übertragbarkeit von Leitlinienempfehlungen in verschiedenen klinischen Situationen entsprechend der Prinzipien der evidenzbasierten Medizin überprüft? 
  1. Orientierung an bester wiss. Evidenz (Leitlinien)
  2. Klinische Expertise
  3. Werte und Ziele der Patientin/des Patienten überprüft?
  • Fortbildungen, Fachzeitschriften, wissenschaftliche Veranstaltungen, kollegialer Austausch
  • Leitlinienportal www.awmf.org  

Praxisorganisation und interprofessionelle Kooperation

🠒 Zeitmanagement und andere organisatorische Barrieren?

🠒 Gute Kommunikation im Team und mit anderen an der Behandlung Beteiligten?

🠒 Möglichkeiten interprofessioneller Kooperationen ausgeschöpft?

Erkennen von Barrieren (Beispiele): Lösungsansätze (Beispiele):
  • Gibt es klare und transparente Praxis-/Einrichtungsstrukturen, in der jedes Teammitglied klare Aufgaben hat?
  • Gibt es Schwachstellen bei der Organisation der Praxis/Einrichtung, die verbessert werden können?
  • Werden die Patientenorganisation, Therapieplanungen und -entscheidungen, Dokumentation digital unterstützt um rasch einen Überblick über relevante Parameter zu haben?
  • Gibt es eine gute Kommunikation im Team, ein positives Teamklima?
  • Wird die Qualität regelmäßig überprüft (Qualitätsmanagement)?
  • Werden externe Hilfen zur Weiterentwicklung der Praxis in Anspruch genommen?
  • Werden die Möglichkeiten der interprofessionellen Kooperation ausreichend ausgeschöpft?
  • Kann die Qualität und Tragfähigkeit der Kommunikation mit den Kooperationspartnern verbessert werden (inhaltlich, organisatorisch, menschlich)?
  • Überprüfung der Praxisstrukturen, Einbezug digitaler Routinen
  • Digitale Unterstützung bei der Praxisorganisation und therapeutischen Entscheidungen
  • Teambesprechungen, -fortbildungen, regelmäßiger Austausch, Aufgabenklärung, gemeinsame interprofessionelle Leitlinien, strukturierte und transparente interprofessionelle Kommunikation (z. B. formale Mitteilungsbögen, Nutzung der EPA)
  • Qualitätsmanagement, interprofessionelle QM-Zirkel
  • Personalfortbildung, individuelle und Team-Supervision

Anhang 3 Durchführung und Auswertung neurologischer Tests

Allgemeine Hinweise zur Durchführung der neurologischen Tests (modifiziert nach 32107, 32781):

  • Demonstrieren Sie die Untersuchung zunächst an einer klinisch nicht betroffenen Stelle (z. B. an der Hand).
  • Bitten Sie den Patienten/die Patientin während der Untersuchung, die Augen zu schließen, um Suggestionen zu vermeiden.
  • Fragen Sie nicht übergeordnet, ob der/die Betroffene etwas spürt, sondern immer nach der zu überprüfenden Qualität (z. B. Vibration, Schmerz).
  • Führen Sie die Untersuchungen nicht an verhornten oder vernarbten Arealen oder im Bereich einer Wunde durch.
  • Ist eine Untersuchung an der empfohlenen Untersuchungsstelle nicht möglich (z. B. durch Wunde oder nach Amputation), wählen Sie die nächstgelegene geeignete Stelle.
  • Führen Sie die Untersuchung beidseits durch.

Vibrationsempfindung mit C64 Hz-Stimmgabel (nach Rydel-Seiffer)

Nach Demonstration der Untersuchung an einem Handknochen, z. B. am Processus styloideus radii, wird der Patient/die Patientin gebeten, die Augen zu schließen. Das Vibrationsempfinden wird zunächst beidseits dorsal am Großzehen-Interphalangealgelenk getestet. Hierzu wird die Stimmgabel anfangs ohne Vibration aufgesetzt und nach dem Empfinden der Vibration ("Spüren Sie die Vibration?") gefragt.

Dann erfolgt der Test mit schwingender Stimmgabel. Der Patient/die Patientin soll angeben, ab wann die Vibration nicht mehr zu spüren ist. Aus klinischer Erfahrung der Leitliniengruppe können insbesondere ältere Menschen gelegentlich Druck schlecht von Vibration unterschieden. Falls kein Empfinden besteht, wird die Untersuchung an einer proximalen Stelle (Malleolus medialis) wiederholt. Eine differenzierte Beschreibung des Untersuchungsablaufs ist im Diagnosemanual der Nationalen Aufklärungsinitiative zur diabetischen Neuropathie zu finden 32781.

Untere Normgrenze für die Messung des Vibrationsempfindens mittels Rydel-Seiffer-Stimmgabel (nach 32107, 32781)

Alter [Jahre]

Großzehen-Interphalangealgelenk dorsal

Medialer Malleolus

Männer

Frauen

≤ 39

5/8

5/8

5,5/8

40–59

4,5/8

4,5/8

5/8

60–74

4/8

4/8

4,5/8

≥ 75

3,5/8

3,5/8

4/8

Druck-/Berührungsempfindung mit dem 10 g-Monofilament

Gemessen wird beidseits an mindestens fünf Punkten (plantar distal an der Großzehe, Plantarseite der Metatarsalköpfchen 1 und 2; zwischen 3 und 4 und 5). Ungeeignet für die Testung sind stark überhornte oder vernarbte Stellen 32781.

Aufgrund von Veränderungen der Filamenteigenschaften sollte ein einzelnes 10 g-Monofilament nur bei maximal zehn Patient*innen nacheinander verwendet werden und dann erst nach 24-stündiger Pause erneut zum Einsatz gelangen 3530 zitiert nach 25602. Auch sollte berücksichtigt werden, dass die mechanischen Eigenschaften der Filamente sich bei langzeitiger Verwendung verändern und es nach ca. 500 Untersuchungen zur signifikanten Reduktion des applizierten Druckes kommt 25602.

Auswertung: Wird der Druck eines 10 g-Monofilamentes nicht mehr wahrgenommen, ist das Berührungsempfinden bereits deutlich eingeschränkt. Bei ≥ 1 von 5 bzw. 2 von 10 nicht erkannten Teststellen, ist die Druck-/Berührungssensitivität als eingeschränkt und das Ergebnis als pathologisch zu bewerten.

Schmerzempfindung z. B. mit 512 mN Pinprick Stimulatoren, oder ähnlichem

Bei der Überprüfung des Schmerzempfindens können verschiedene Instrumente genutzt werden. Dabei ist auf die Verletzungsgefahr zu achten. Der zur Testung genutzte Gegenstand darf nicht zu spitz sein.

Der Test kann beidseits am distalen Fußrücken inklusive Großzehe oder an der plantaren Beugefalte im Metatarso-Interphalangelagelenk durchgeführt werden (ca. 5- bis 10-mal). Dabei wird der Patient/die Patientin gebeten, mit geschlossenen Augen zu sagen, ob die Berührung spitz/schmerzhaft ist, oder ob nur eine stumpfe Berührung gespürt wird.

Auswertung: Ab drei von zehn falsch erkannten Testungen wird das Schmerzempfinden als eingeschränkt bewertet.

Temperaturempfindung z. B. mit stiftförmigem Instrument mit flachem Kunststoff- und Metallende, oder ähnlichem kalten Metall (z. B. Stimmgabel) oder ähnlichem

Nach Demonstration der Untersuchung an der Hand wird der Patient/die Patientin gebeten, die Augen zu schließen. Das Instrument wird mit beiden Seiten auf dem Fußrücken aufgesetzt und gefragt, ob die erste oder zweite Berührung kälter ist. Pro Fuß sollte die Untersuchung 3 mal durchgeführt werden.

Der Test kann nur durchgeführt werden, wenn die Füße ausreichend warm sind.

Auswertung: Das Temperaturempfinden wird als vermindert gewertet, wenn pro Fuß mindestens zwei von drei Warm-Kalt-Unterschiede falsch erkannt wurden.


Anhang 4 Dokumentationsbögen Retinopathie

  • Hausärztliche/diabetologische Mitteilung an den Augenarzt/die Augenärztin/die Augenärztin
  • Augenfachärztliche Mitteilung

Beide Dokumente stehen als Druckversion zum Download zur Verfügung. Sie sind abrufbar unter www.leitlinien.de/themen/diabetes/dokumentationsboegen sowie per Direktlink zum jeweiligen PDF über die folgenden zwei Abbildungen.

Hausärztliche/diabetologische Mitteilung an den Augenarzt/die Augenärztin

Hausärztliche diabetologische Mitteilung an den Augenarzt die Augenaerztin


Augenfachärztliche Mitteilung

Augenfachaerztliche Mitteilung


Anhang 5 Diagnosekriterien metabolisches Syndrom

Diagnosekriterien des metabolischen Syndroms, modifiziert nach 32797

Kriterium

Grenzwerte

Stammbetonte Adipositas (Taillenumfang)*

Männer ≥ 102 cm

Frauen ≥ 88 cm

Erhöhte Triglyceride**

≥ 150 mg/dl (1,7 mmol/l)

Erniedrigtes HDL-Cholesterin**

Männer: < 40 mg/dl (1,0 mmol/l)

Frauen: < 50 mg/dl (1,3 mmol/l)

Erhöhte Blutdruckwerte**

Systolisch ≥ 130 mmHg und/oder

Diastolisch ≥ 85 mmHG

Erhöhte Nüchternblutglukose**

≥ 100 mg/dl bzw. 5,6 mmol/l

* Werte der European Cardiovascular Societies für Europäer mit europäischer Herkunft.

** alternativ entsprechende medikamentöse Therapie

Nach der hier genannten Definition 32797 liegt ein metabolische Syndrom vor, wenn drei der fünf Kriterien erfüllt sind.

Die DEGAM, AkdÄ, DGfW und DGP schließen sich den WHO-Grenzwerten für die NPG an: kein Diabetes < 110 mg/dl (< 6,1 mmol/l), erhöhtes Risiko für Diabetes 110–125 mg/dl (6,1–6,9 mmol/l) 30949, 30948, siehe auch Tabelle 10.


Anhang 6 Beispiele für Testverfahren des geriatrischen Assessments

Beispiele für Testverfahren des geriatrischen Assessments (modifiziert nach 30469)

Bereich

Beispiele für mögliche Testverfahren*

Kognition

Uhren-Test, DemTect, Montreal Cognitive Assessment Test (MoCA), Mini-Mental-Status-Test (MMST) nach Folstein

Motorik / Bewegung

Timed-Up-and-Go-Test, Tinetti-Test, Balance-Testung, Short Physical Performance Battery (SPPB) 32986

Ernährung

Mini Nutritional Assessment (MNA), MNA-SF

Affekt

Geriatric Depression Scale (GDS) 15

Performance

IADL-Skala (instrumental activities of daily living Scale), Geldzähltest

Soziales

Soziales Assessment nach Nikolaus 32984

*die Auflistung stellt beispielhaft mögliche Tests dar, von denen einige ggf. nicht frei verfügbar sein können.

Für ausführliche Informationen siehe S2k-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter 30469. Das Kompetenz-Centrum Geriatrie stellt unter www.kcgeriatrie.de eine große Auswahl von Assessment-Instrumenten zur Verfügung.


Anhang 7 WHO-5-Fragebogen und Zwei-Fragen-Test

WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden (Version 1998) 18035, zitiert nach 23863

In den letzten 2 Wochen

Die ganze Zeit

Meistens

Etwas mehr als die Hälfte der Zeit

Etwas weniger als die Hälfte der Zeit

Ab und zu

Zu keinem Zeitpunkt

…war ich froh und guter Laune

5

4

3

2

1

0

…habe ich mich ruhig und entspannt gefühlt

5

4

3

2

1

0

…habe ich mich vital und aktiv gefühlt

5

4

3

2

1

0

…habe ich mich beim Aufwachen frisch und ausgeruht gefühlt

5

4

3

2

1

0

…war mein Alltag voller Dinge, die mich interessieren

5

4

3

2

1

0

Auswertung: Punktberechnung: Der Rohwert kommt durch einfaches Addieren der Antworten zustande. Der Rohwert erstreckt sich von 0 bis 25, wobei 0 geringstes Wohlbefinden/niedrigste Lebensqualität und 25 größtes Wohlbefinden/höchste Lebensqualität bezeichnen. Ein Rohwert unter 14 Punkte stellt die kritische Grenze dar. Den Prozentwert von 0 bis 100 erhält man durch Multiplikation mit 4. Der Prozentwert 0 bezeichnet das schlechteste, 100 das beste Befinden 23863.

Zwei-Fragen-Test (PHQ-2; Whooley Questions)

  1. Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig bedrückt oder hoffnungslos?
  2. Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?

Werden beide Fragen mit "Ja" beantwortet, identifiziert der Test das Vorliegen depressiver Störungen mit einer Sensitivität von 96% und einer Spezifität von 57% 5862, zitiert nach 32922. Der Test weist somit eine gute Validität auf und ist gleichzeitig niedrigschwellig und zeitökonomisch, liegt auf Deutsch vor, ist kostenfrei, mündlich und ohne komplizierte Auswertung durchführbar und die Nutzungsrechte sind nicht eingeschränkt 32922.


Anhang 8 Risikosituationen für Gliflozin-assoziierte diabetische Ketoazidosen

Tabelle: Risikosituationen für Gliflozin-assoziierte diabetische Ketoazidosen und Maßnahmen, um ihr Auftreten zu verhindern 29010

Risikosituation

Maßnahmen in Bezug auf Gliflozine

Akute Erkrankung (z. B. Infektion, Gastroenteritis, Myokardinfarkt, Schlaganfall)

  • Pausierung
  • Einnahme fortsetzen, wenn klinischer Zustand gebessert und Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme normalisiert

Bariatrische Chirurgie

  • Pausierung bei präoperativer Diät, Indikation für Gliflozin postoperativ reevaluieren

Größere operative Eingriffe

  • drei Tage vor Eingriff pausieren
  • Einnahme fortsetzen, wenn klinischer Zustand gebessert und Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme normalisiert

Drohende Dehydratation (Vorbereitung zur Koloskopie, exzessives Training)

  • Pausierung bis Dehydratation behoben

Low-Carb Diät

  • Pausierung bis normale Ernährung wieder aufgenommen wird

Exzessiver Alkoholkonsum

  • sofortige Pausierung
  • Indikation für Gliflozin zu späterem Zeitpunkt reevaluieren

Anhang 9 Abweichende Einschätzungen der Fachgesellschaften

Die vorliegende NVL beschreibt die gemeinsame Sicht der Fachgesellschaften. Einzelne Aspekte der Diagnostik und Therapie werden jedoch unterschiedlich bewertet. An diesen Stellen bleibt die NVL und z. B. der Algorithmus zur Diagnostik und medikamentösen Therapie unscharf. Abweichende Sichtweisen der Fachgesellschaften/Organisationen werden im Folgenden dargestellt. Informationen zu den unterschiedlichen Sichtweisen stammen zu Teilen aus der aktuellen Praxisempfehlung der DDG zur Therapie des Typ-2-Diabetes 30699 und zur Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus 32982, aus den DEGAM-Anwenderversionen als Addendum zur NVL Typ-2-Diabetes 30838, 33250, sowie den Diskussionen im Rahmen der Leitlinienarbeit (siehe auch 30867, 30311).

Diese Positionen wurden nicht im Rahmen der NVL konsentiert und durch das NVL-Team nicht inhaltlich überprüft. Es handelt sich um Bewertungen der jeweiligen Fachgesellschaftsgruppen.

Zu Kapitel 3 Screening und erhöhtes Diabetesrisiko und Kapitel 4 Diagnostik

Zu Kapitel 3.1 Empfohlene Diagnostik bei Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko

Siehe auch abweichende Einschätzungen der Fachgesellschaften in Kapitel 3.1 Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko und Kapitel 4.1.2.1.1 Erläuterungen zum Algorithmus und abweichende Einschätzungen der Fachgesellschaften.

DDG/DGIM

DEGAM/AkdÄ

Bei Menschen mit erhöhtem Risiko (gemäß Risikoscores, siehe Weiterführende Informationen: Risikoscores):

  • Diagnostik entsprechend Kapitel 4 Diagnostik (mindestens zwei Laborparameter, siehe Abbildung 6).
  • einmalige Bestimmung der NPG zum Ausschluss der Diagnose nicht ausreichend (Gefahr besteht, einen Teil der Erkrankten (ca. 1/3) zu übersehen (32751 selektiv durch der Fachgesellschaft eingebrachte Literatur).

Weiteres Vorgehen:

Laborwerte im Normbereich:

  • Aufklärung über erhöhtes Risiko und ggf. lebensstilmodifizierende Maßnahmen entsprechend des Risikoprofils, sowie Kontrolle der Laborparameter nach einem Jahr.

Laborwerte im Bereich des erhöhten Risikos:

  • lebensstilmodifizierende Maßnahmen (siehe auch Empfehlung 3-2) und Laborwerte initial nach 3 Monaten und dann 6-monatlich kontrollieren.
  • nach diabetesassoziierten Erkrankungen bei erhöhten Glukosewerten fragen und eventuell suchen (31943, 32432, selektiv durch die Fachgesellschaft eingebrachte Literatur).

Das weitere Vorgehen bei Diabetesdiagnose erfolgt gemäß den Kapiteln Nicht-medikamentöse (wird aktuell erstellt) und ggf. Medikamentöse Therapie (Kapitel 5 Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels).

Bei Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko ohne weiteren klinischen oder laborchemischen Verdacht:

  • orientierende Bestimmung der NPG im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung (alle drei Jahre) ausreichend.

Der klinische oder laborchemische Verdacht ergibt sich durch:

  • Auftreten von diabetesspezifischen Symptomen,
  • anderweitig erhobene erhöhte Blutglukose- oder HbA1c-Werte
  • Auftreten von diabetesassoziierten Erkrankungen wie Nephropathie, Retinopathie oder Neuropathie.

Weiteres Vorgehen:

NPG im Normbereich oder im Bereich des erhöhten Diabetesrisikos:

  • Bestimmung eines weiteren Wertes nicht notwendig. Erneute Kontrolle nach drei Jahren im Rahmen der nächsten allgemeinen Gesundheitsuntersuchung.
  • Menschen mit Laborwerten im Bereich des erhöhten Diabetesrisikos (Nüchternplasmaglukose 110–125 mg/dl bzw. 6,1-6,9 mmol/l, WHO-Grenzwerte) sollen gemäß Empfehlung 3-2 lebensstilmodifizierende Maßnahmen empfohlen werden (siehe Empfehlung 3-2).

Bei einem erhöhten Wert der NPG (≥ 126 mg/dl bzw. 7,0 mmol/l) erfolgt die weitere Diagnostik (z. B. Nachbestimmung des HbA1c-Wertes), siehe Kapitel 4 Diagnostik und ggf. Einleitung der entsprechenden Therapie.

Zu Kapitel 3 und 4: Grenzwerten für die Nüchternplasmaglukose

DDG/DGIM/DGEM

DEGAM/AkdÄ/DGfW/DGP

DDG, DGIM und DGEM präferieren die ADA-Grenzwerte für NPG:

  • kein Diabetes < 100 mg/dl (< 5,6 mmol/l),
  • erhöhtes Risiko für Diabetes 100–125 mg/dl (5,6–6,9 mmol/l) 31013

Begründung:

In den meisten internationalen Diabetes-Fachgesellschaften haben sich aktuell diese Werte durchgesetzt.

Die DEGAM, AkdÄ, DGfW und DGP präferieren die WHO-Grenzwerte für die NPG:

  • kein Diabetes < 110 mg/dl (< 6,1 mmol/l),
  • erhöhtes Risiko für Diabetes 110–125 mg/dl (6,1–6,9 mmol/l) 30949, 30948

Begründung:

  • Die einzige Begründung für einen neuen Grenzwert in 2003 war die Fehleranfälligkeit der bis dahin ebenfalls willkürlich festgelegten Diagnosekriterien. Schon damals wurde eingeräumt, dass der Nutzen dieser Maßnahme nicht belegt sei 32980. Die vorgeschlagenen überarbeiteten Diagnosekriterien führen jedoch zu einem dramatischen Anstieg der Prävalenz von IFG. Diese "neue IFG-Gruppe" hat ein günstigeres kardiovaskuläres Risikoprofil als die aktuelle IFG-Gruppe, wie von der WHO definiert. Dies stellt ernsthaft in Frage, ob bestehende Interventionsstrategien auf die neue Kategorie von Personen mit IFG überhaupt anwendbar sind. In der Inter99-Studie zeigte sich, dass die Senkung der diagnostischen Schwelle auf 5,6 mmol/l die Prävalenz von IFG auf 38,8% oder mehr als das Dreifache der Prävalenz von IGT erhöhte. Mit den überarbeiteten Kriterien würde mehr als eine von drei Personen als "prädiabetisch" eingestuft, und nur 59% der Bevölkerung in der Altersgruppe der 30- bis 60-Jährigen hätten eine normale Glukosetoleranz basierend auf der Nüchtern-Plasmaglukose. Für die in das DETECT-2-Projekt eingeschlossenen Studien wurde ein ähnliches Muster gefunden. Eine Absenkung der diagnostischen Schwelle auf 5,6 mmol/l würde die Prävalenz von IFG auf 28,7% (China) bis 45,7% (Frankreich) erhöhen 32981.

Laut Qualitätsbericht des DMP der KV-Region Nordrhein erhielten im Jahr 2020 knapp ein Drittel (30,8%) der im DMP Typ-2-Diabetes eingeschriebenen Personen eine rein nicht-medikamentöse Therapie. Von den im DMP eingeschriebenen Personen, die 2014 keine medikamentöse antidiabetische Therapie benötigten, wurden sechs Jahre später (2020) weniger als die Hälfte (ca. 40%) medikamentös behandelt 32313.

Nach Einschätzung der DEGAM, AkdÄ, DGfW und DGP ist der Schaden durch immer niedrigere Diagnosekriterien und daraus resultierender Übertherapie größer als der potentielle Nutzen, für den die Fachgesellschaften/Organisationen keine Belege sehen.

Zu Kapitel 3 und Kapitel 4: Abweichende Einschätzungen der Fachgesellschaften, welche diabetesassoziierten Erkrankungen und ob ein erhöhtes Diabetesrisiko zu der im Algorithmus (Abbildung 6) beschriebenen diagnostischen Abklärung führen sollen

DDG/DGIM

DEGAM/AkdÄ

Diabetesassoziierte Erkrankungen, die zu einer Diagnostik gemäß Algorithmus führen:

  • makro- und mikroangiopathische, sowie neurologische Komplikationen.

Zur Abklärung bei erhöhtem Diabetesrisiko siehe Absatz "Zu Kapitel 3.1 Empfohlene Diagnostik bei Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko".

Erkrankungen, die zu einer Diagnostik gemäß Algorithmus führen:

  • diabetesassoziierte Erkrankungen wie z. B. eine Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie.

Bei Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko ohne die im Algorithmus (Abbildung 6) genannten klinischen und laborchemischen Verdachtsmomente ist aus Sicht der DEGAM und AkdÄ eine orientierende Bestimmung der Nüchternplasmaglukose ausreichend (siehe Kapitel 3.1 Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko und Absatz "Zu Kapitel 3.1 Empfohlene Diagnostik bei Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko").

Zu Kapitel 4.1: Bewertung des oGTT

DDG/DGIM

DEGAM/AkdÄ/DGfW/DGP

  • oGTT gilt trotz eingeschränkter Reproduzierbarkeit international immer noch als Goldstandard bzw. Referenztest in der Diagnose eines Diabetes.
  • HbA1c und NPG sind wegen unzureichender Sensitivität kein adäquater Ersatz.
  • Bei diskrepanten Aussagen der verschiedenen Messgrößen (NPG und HbA1c) oder Ergebnissen im Bereich des erhöhten Risikos (NPG: 5,6–6,9 mmol/l bzw. 100–125 mg/dl; HbA1c 39 – < 48 mmol/mol Hb bzw. 5,7 – < 6,5%) sehen DDG und DGIM daher einen Anlass, den Einsatz des oGTT zu empfehlen.
  • Nur mit einem oGTT ist eine gestörte Glukosetoleranz (IGT) zu diagnostizieren. DDG und DGIM schätzen diese u. a. wegen eines erhöhten kardiovaskulären Risikos als relevant in der Prognose für die Entwicklung diabetesassoziierter Erkrankungen ein.
  • oGTT hat keinen Stellenwert in der Diagnose des Typ-2-Diabetes in der hausärztlichen Praxis.

Begründung:

  • hoher Aufwand,
  • mäßige Reliabilität
  • mäßige Validität hinsichtlich diabetesassoziierter Folgeerkrankungen

Es ergibt sich für eine nennenswert große Gruppe von Personen die Gefahr der Medikalisierung, ohne einer kleineren Gruppe eine bessere Behandlung zukommen zu lassen. Denn therapeutische Konsequenzen, die über diejenigen in der Folge eines allgemeinen kardiovaskulären Risiko-Assessments hinausgehen, können erfahrungsgemäß nur sehr selten gezogen werden.

  • Die DEGAM, AkdÄ, DGfW und DGP sehen keinen Stellenwert des oGTTs und einer erweiterten Abklärung von Nüchternplasmaglukosewerten im Grenzbereich.

Zu Kapitel 4.1.2.3 Ausschluss der Diagnose: notwendigen Untersuchungen zum Ausschluss der Diagnose Typ-2-Diabetes

DDG/DGIM

DEGAM/AkdÄ

  • Bestimmung von mindestens zwei Laborparametern im Normbereich notwendig, um die Diabetesdiagnose zum aktuellen Zeitpunkt ausreichend zuverlässig auszuschließen.
  • Empfohlen wird die Bestimmung der NPG und des HbA1c-Wertes. Eine Kombination zweier anderer Laborparameter (NPG + GPG oder GPG + HbA1c) oder zwei Ergebnisse eines Laborparameters im Normbereich (2x NPG, 2x HbA1c, 2x GPG) eignen sich aus Sicht der Fachgesellschaften hierzu nicht.

Begründung:

  • GPG kann aufgrund der fehlenden Standardisierung nicht zum Ausschluss der Diagnose herangezogen werden.
  • wiederholte Messung des HbA1c-Wertes wird aufgrund der Vielzahl beeinflussender Faktoren als alleiniges Diagnosekriterium nicht empfohlen.
  • Wird nur die NPG zweimalig bestimmt, besteht nach Einschätzung der DDG und DGIM die Gefahr, einen Teil der Patient*innen im frühen Stadium der Erkrankung zu übersehen. Bei hochgradigem klinischen Verdacht auf eine Diabeteserkrankung ist der hinreichende Ausschluss einer Glukosestoffwechselstörung aus Sicht der DDG und DGIM nur durch einen oGTT möglich.

DEGAM und AkdÄ sehen die einmalige Bestimmung einer normwertigen NPG als ausreichend an, um eine therapeutisch relevante Blutglukosestoffwechselstörung zum aktuellen Zeitpunkt auszuschließen. Nur bei hochgradigem klinischen Verdacht auf einen Diabetes mellitus (typische Diabetessymptome, Erkrankungen, die auch Folge eines Diabetes sein können) soll ein weiterer Wert bestimmt werden.

Folgende Kombinationen sind hierfür aus Sicht der DEGAM/AkdÄ sinnvoll:

- NPG + NPG (zweizeitig), NPG + HbA1c;

Liegen aus anderen Gründen folgende Kombinationen, NPG + GPG; HbA1c + GPG, vor – so reicht aus Sicht der Vertreter*innen der DEGAM/AkdÄ auch dies zum Ausschluss einer Diabeteserkrankung.

Zu Kapitel 4.1.1 und Kapitel 4.4.2: Abweichende Einschätzungen der Fachgesellschaften zur Durchführung eines U-Status und der Bestimmung der UACR bei der Erstuntersuchung und dem regelmäßigen Screening auf Folge- und Begleiterkrankungen

(siehe auch Kapitel 4.1.1 Anamnese und körperliche Untersuchungen)

DDG/DGIM/DGfN/DGEM

DEGAM/AkdÄ

Empfohlenes Screening auf Nephropathie bei Diabetes bei allen Menschen mit Typ-2-Diabetes (Eingangsuntersuchung und im regelmäßigen Verlauf):

  • Bestimmung der eGFR,
  • U-Status und Bestimmung der UACR (zweizeitig, siehe unten)

Begründung:

  • zusätzliche Risikoabschätzung für kardiovaskuläre und renale Folgeerkrankungen durch U-Status und UACR-Bestimmung
  • alleinige Bestimmung einer eGFR > 60 ml/min ist nicht ausreichend, um nephrologische Erkrankungen mit initialer alleiniger Albuminurie und/oder Mikrohämaturie frühzeitig zu erkennen
  • Untersuchungen finden gezielt bei einer Risikopopulation statt.
  • potentieller Schaden durch Überdiagnostik und Übertherapie bei auffallenden Befunden ohne Behandlungsnotwendigkeit gering, da angemessene Interpretation eines U-Status bei hausärztlichen Kolleg*innen vorausgesetzt werden kann.

Vorschlag: Zweizeitiges Vorgehen zur Ressourcenschonung. Bei pathologischem Urinbefund (U-Status) mit Hinweis auf Infektion oder andere Auffälligkeiten, die eine Protein- oder Albuminbestimmung stören, ist die Bestimmung der UACR zum Untersuchungszeitpunkt nicht sinnvoll.

Empfohlenes Screening auf Nephropathie bei Diabetes bei allen Menschen mit Typ-2-Diabetes (Eingangsuntersuchung und im regelmäßigen Verlauf):

  • Bestimmung der eGFR

DEGAM und AkdÄ sprechen sich gegen einen U-Status als Bestandteil der Eingangsuntersuchung und des regelmäßigen Screenings aus.

Begründung:

  • Aus Sicht der Fachgesellschaften liegen keine Daten vor, die einen Nutzen des U-Status bei asymptomatischen und ansonsten unauffälligen Patient*innen (eGFR > 60 ml/min) mit Diabetes zeigen.
  • Das absolute Risiko der Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz ist gering und hat in den letzten Jahren abgenommen 32313, 32983. Der Mehrwert zusätzlicher ungezielter Diagnostik lässt sich aus Sicht der Fachgesellschaften so nicht begründen.
  • potentieller Schaden durch Überdiagnostik und Übertherapie bei auffallenden Befunden (z. B. Nitrit positiv) ohne Behandlungsnotwendigkeit wird größer eingeschätzt als der potentielle Nutzen

Individuell zu prüfende Bestimmung der UACR für bestimmte Risikogruppen: Dies sind – zusammengefasst – Patient*innen, die eine schlecht kontrollierte Plasmaglukose bzw. Bluthochdruck haben, ggf. für Letzteres noch keinen ACE-Hemmer (bzw. AT1-Rezeptorantagonisten) erhalten und die zugleich zu einer Therapieeskalation bereit sind, wüssten sie von dem Vorhandensein des zusätzlichen Risikofaktors "Albuminurie" 23863. In der S3-Leitlinie zur Versorgung von Menschen mit nichtdialysepflichtiger Nierenerkrankung in der Hausarztpraxis wird die Bestimmung bei Erstdiagnose einer eGFR < 60 ml/min und Erstdiagnose eines Hypertonus empfohlen 31571.

Zu Kapitel 5 Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels

Die Abweichende Einschätzungen von DDG/DGIM/DGK/DGfN und DEGAM/AkdÄ/DGP werden im Folgenden dargestellt.

Zu Kapitel 5.3 Algorithmus Medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes und Kapitel 5.9 HbA1c-Zielkorridor

Die Leitliniengruppe hat sich darauf verständigt, HbA1c-Wert-Ziele nicht in den Algorithmus der NVL aufzunehmen. Aus den analysierten Studien und Reviews ließen sich keine klaren Grenzwerte ableiten. Gleichzeitig wird die Evidenz von den Fachgesellschaften teilweise unterschiedlich interpretiert. Voraussetzungen für eine medikamentöse Senkung der Blutglukose, sowie Patient*innen- und Wirkstoff-spezifische Beeinflussung des HbA1c-Zielbereichs werden wie folgt benannt. Unberührt von den hier vorgeschlagenen Zielwerten bzw. Ziel-Korridoren bleiben die primär gemeinsam mit den Patient*innen vereinbarten individuellen Therapieziele (siehe Kapitel 2 Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen).

Therapieziel HbA1c (DDG/DGIM/DGK/DGfN) und Zielbereich für eine medikamentöse Senkung des HbA1c (DEGAM/AkdÄ/DGP)

DDG/DGIM/DGK/DGfN

DEGAM/AkdÄ/DGP

  • HbA1c-Zielkorridor von 6,5-7,5% (48-58 mmol/mol Hb)
  • multimorbide ältere Menschen und/oder stark eingeschränkte Lebenserwartung HbA1c-Wert < 8,0% (< 64 mmol/mol Hb), seltener < 8,5% (< 69 mmol/mol Hb)
  • bei antidiabetischen Medikationen ohne intrinsisches Hypoglykämierisiko auch niedrigere HbA1c-Wert-Ziele möglich

Hausärztlicher Versorgungsbereich:

  • medikamentöse Senkung der Blutglukose bei Patient*innen ohne kardiovaskuläre Erkrankungen erst ab HbA1c >7,5% (58 mmol/mol)
  • HbA1c-Ziel bei medikamentöser Blutglukose-Senkung 7,0-8,0% (53-64 mmol/mol)
  • bei Behandlung mit Glibenclamid oder Insulin HbA1c-Wert von 7,0-7,5% (53-58 mmol/mol) nicht unterschreiten
  • bei über 70-Jährigen HbA1c bis 8,5% (69 mmol/mol) akzeptieren, solange asymptomatisch

Zu Kapitel 5.3 Algorithmus Medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes, Abbildung 7

Divergierende Einschätzungen zum Algorithmus werden im Folgenden dargestellt:

Linke Seite im Algorithmus: Patient*innen ohne hohes Risiko für diabetesassoziierte kardiovaskuläre und/oder renale Ereignisse

Bevorzugtes zweites Medikament, wenn durch Metformin-Monotherapie die individuellen Therapieziele nicht erreicht werden.

DDG/DGIM/DGK/DGfN

DEGAM/AkdÄ/DGP

Individuelle Wirkstoffwahl unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile der Medikamente, Grade der Evidenz für relevante Endpunkte (auch Hypoglykämien), Patient*innencharakteristika und -Präferenzen

Bevorzugter Einsatz von Glibenclamid in der niedrigsten effektiven Dosierung

Effektivste Blutzuckersenkung abgesehen von Insulin

Bewertung der verschiedenen Wirkstoffgruppen

DPP-4-Hemmer: ersetzen in zunehmendem Maße die Therapie mit Sulfonylharnstoffen

Begründung:

  • günstiges Sicherheitsprofil auch bei progredienter Niereninsuffizienz und gute Verträglichkeit (insbesondere bei älteren Menschen wichtig)
  • weitgehend gewichtsneutrale Effekte, vergleichbare glukosesenkende Potenz wie Metformin und die anderen OADs

DPP-4-Hemmer: Ausnahmefällen vorbehalten (als Monotherapie bei symptomatischen Patient*innen, die andere Substanzen nicht vertragen oder ablehnen; siehe Anwenderversion)

Begründung:

  • Nutzen hinsichtlich klinisch relevanter Endpunkte nicht belegt
  • Einsatz bei Herzinsuffizienz nicht empfohlen
  • additive Senkung des HbA1c bei zusätzlichem Einsatz marginal

Sulfonylharnstoffe: werden zunehmend durch andere OADs ersetzt

Begründung:

  • höchstes Hypoglykämiepotential aller oralen Antidiabetika (z. T. schwere und prolongierte Hypoglykämien, insbesondere bei älteren Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion)
  • bei Patient*innen mit kardiovaskulären und renalen Komplikationen aufgrund der Gefährdung durch schwere Hypoglykämien nicht empfohlen;
  • meist moderate Gewichtszunahme
  • keine Vorteile auf makrovaskuläre Endpunkte, in Studien eher gesteigerte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität

Sulfonylharnstoffe: Glibenclamid, Gliclazid und Glimepirid als bevorzugte Kombinationspartner von Metformin

Begründung:

  • kein Schadpotential, solange keine Hypoglykämien auftreten
  • Hypoglykämierisiko als gering einzuschätzen, wenn keine HbA1c-Zielwerte < 7,5% (58 mmol/mol) angestrebt werden
  • Gewichtszunahme als gering einzuschätzen
  • Glibenclamid ist eine Substanz mit gesichertem Nutzen aus Endpunktstudien

SGLT2-Inhibitoren:

  • eine der präferierten Therapieoptionen als Kombinationswirkstoff von Metformin

Begründung:

  • effektive antihyperglykämische Substanzen
  • günstige Wirkprofil durch geringes Hypoglykämierisiko, Gewichtssenkung, vermehrte Harnsäureausscheidung und Absenkung des systolischen Blutdrucks
  • positive Effekte auf kardiovaskuläre und renale Endpunkte in großen kardiovaskulären Endpunktstudien
  • Sicherheitsaspekte (z. B. genitale Infektionen, Ketoazidosen) sind zu beachten

GLP-1-RA:

  • Plasmaglukosesenkung im Mittel stärker als bei den klassischen oralen Antidiabetika; sowie blutdrucksenkende (gering), gewichtsreduzierende Effekte
  • kardio- und renoprotektive Effekte
  • geringes Hypoglykämierisiko

SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-RA:

  • bei Patient*innen ohne kardiovaskuläre Erkrankungen nur in Ausnahmefällen, wenn Glibenclamid oder Insulin wegen erhöhten Hypoglykämie-Risikos oder anderen Nebenwirkungen bzw. Kontraindikationen nicht in Frage kommen

Begründung:

  • Bisher ergibt sich aus den Einzelstudien kein ausreichender Nutzennachweis bei Patient*innen ohne kardiovaskuläre Erkrankung (inkonsistente Effekte bei weniger Endpunkten, u.a. Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz bzw. Schlaganfallinzidenz). Allerdings zeigt eine Meta-Analyse von Palmer aus 2021 30887 einen sehr geringen Nutzen hinsichtlich Tod und nicht-tödlichen kardiovaskulären Ereignissen.
  • Gefahr von Mykosen in der Genitalregion und Ketoazidosen

Bevorzugter weiterer Wirkstoff, wenn die Kombination aus Metformin und einem zweiten Blutglukose-senkenden Medikament nicht ausreicht, um individuelle Therapieziele zu erreichen.

DDG/DGIM/DGK/DGfN

DEGAM/ AkdÄ/DGP

Individuelle Wirkstoffwahl (siehe oben)

  • Gabe oraler Dreifachkombination (z. B. Metformin + DPP-4-Inhibitor + SGLT2-Inhibitor) kann individuell sinnvoll sein oder
  • Beginn einer oralen oder s.c. Gabe von GLP-1-RA vor Insulintherapie erwägen, insbesondere bei erhöhtem Body Mass Index
  • Dreifachkombinationen möglichst vermeiden
  • lässt sich eine Dreifachkombination nicht vermeiden, kommen zusätzlich zu Metformin in Frage:
    • Sulfonylharnstoffe
    • SGLT2-Inhibitoren
    • GLP-1-RA
    • nächtliches Basalinsulin (dann keinen Sulfonylharnstoff einsetzen)

Rechte Seite im Algorithmus: Patient*innen mit klinisch relevanter kardiovaskulärer Erkrankung

DDG/DGIM/DGK/DGfN

DEGAM/AkdÄ/DGP

Frühzeitige Kombinationstherapie (Metformin plus SGLT2-Inhibitor oder GLP-1-RA) anstreben

Initiale Kombinationstherapie nur bei HbA1c-Wert > 7% (53 mmol/mol)

Begründung:

  • in den Studien untersuchte Patient*innen hatten bereits eine vorbestehende glukosesenkende Therapie. Daten zur initialen Kombinationstherapie bei Therapie-naiven Patient*innen liegen nicht vor
  • Baseline-HbA1c-Wert in den Studien überwiegend > 7% (53 mmol/mol)

Bevorzugter weiterer Wirkstoff, wenn die Kombination aus Metformin plus SGLT2-Hemmer oder GLP-1-RA nicht ausreicht, um individuelle Therapieziele zu erreichen

Individuelle Wirkstoffwahl (siehe oben)

  • Gabe von mehr als zwei oralen Antidiabetika kann individuell sinnvoll sein, oder
  • Beginn einer oralen oder s.c. Blutglukose-senkenden Therapie mit GLP-1-RA und/oder Insulin

Insulin hinzufügen (bevorzugt NPH zur Nacht)

Mitte im Algorithmus: Patient*innen mit hohem Risiko für diabetesassoziierte kardiovaskuläre und/oder renale Ereignisse

Bei welchen Patient*innen aus dieser Gruppe ist eine initiale Kombinationstherapie aus Metformin und SGLT2-Inhibitor oder GLP-1-RA zu empfehlen?

DDG/DGIM/DGK/DGfN

DEGAM/AkdÄ/DGP

  • Patient*innen mit klinisch relevanter renaler Erkrankung (eGFR < 60 ml/min und/oder Makroalbuminurie)
  • Patient*innen mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko gemäß ESC-Risiko-Rechner
  • Patient*innen mit Makroalbuminurie und HbA1c-Wert > 7,0% bzw. 53 mmol/mol (Empagliflozin)

Zu Kapitel 5.5.7 Insuline

Bevorzugtes langwirksames Insulin

DDG/DGIM/DGK/DGfN

DEGAM/AkdÄ/DGP

Langwirksame Analoginsuline

Begründung:

  • flaches Wirkprofil, tageszeitlich flexible Injektion, stabileres Glukoseprofil, geringeres Hypoglykämierisiko
  • NPH-Suspension muss geschwenkt werden
  • Anmerkung: GLP-1-RA eventuell vor Insulintherapie erwägen

NPH-Insulin zur Nacht

Begründung:

  • lange Erfahrung
  • sehr geringes Hypoglykämie-Risiko am Tag, insbesondere wenn HbA1c-Ziel nicht zu niedrig gewählt
  • kaum Gewichtszunahme 30298

Zu Kapitel 5.8 Spezifische Therapiezielfindung für Stoffwechsel, Gewicht und Bluthochdruck

Weitere Therapieziele

 

DDG/DGIM/DGK/DGfN

DEGAM/AkdÄ/DGP

Blutdruck

  • systolisch: 120-140 mmHg (≥ 65 Jahre 130-140 mmHg)
  • ≤ 65 Jahre 120-129 mmHg); diastolisch: < 80 mmHg (nicht < 70 mmHg); wenn die Therapie ohne relevante Nebenwirkungen ist
  • ≤ 140 mmHg systolisch, ≤ 90 mmHG diastolisch (40-80 Jahre) 30888
  • 140-150 mmHg bei Patient*innen ≥ 80 Jahre in guter körperlicher und geistiger Verfassung 30469

Lipide

LDL-Cholesterin-Senkung:

Sehr hohes Risiko in der Primär- und Sekundärprävention:

≥ 50% LDL-C-Reduktion von der Basis vor lipidsenkender Therapie und ein LDL-C-Ziel < 1,4 mmol/l (< 55 mg/dl)

High Risk: ≥ 50% LDL-C-Reduktion von der Basis und ein LDL-C < 1,8 mmol/l (< 70 mg/dl)

Mäßiges Risiko: < 2,6 mmol/l (< 100 mg/dl)

Niedriges Risiko: < 3,0 mmol/l (< 116 mg/d)

  • Strategie der festen Dosis, keine Zielwertorientierung:
  • in der Sekundärprävention Verweis auf NVL Chronische KHK 32809
  • Statintherapie anbieten bei kardiovaskulärem Gesamtrisiko > 20%/10 Jahre
  • Statintherapie nach individueller Beratung erwägen bei absolutem Gefäßrisiko 10-20%/10 Jahre und deutlich erhöhtem altersbezogenem Risiko
NVL Typ-2-Diabetes, Version 3.0, 2023

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