NVL Hypertonie (2023)

9 Versorgungskoordination

9.1 Primärärztliche und fachspezifische Versorgung

Empfehlung

9-1 | k | neu 2023

Die Langzeitbetreuung der Patient*innen und deren Dokumentation sollte in der Regel durch den Hausarzt oder die Hausärztin erfolgen.

Empfehlung

RationaleRationale

Die Betreuung von Patient*innen mit arterieller Hypertonie erfordert eine sektor- und einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit und deren Koordination. Die Versorgungsintensität hängt dabei u. a. vom Lebensalter, dem zeitlichen Verlauf der Erkrankung, dem Schulungsbedarf sowie der Schwere der Symptomatik und Begleiterkrankungen (wie Diabetes mellitus, Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, Herzinsuffizienz, Koronare Herzkrankheit) ab. Da Versorgungsstrukturen regional unterschiedlich und Versorgungsbedarfe individuell variabel sind, spricht die Leitliniengruppe für die hausärztliche Langzeitbetreuung und Dokumentation eine abgeschwächte Empfehlung aus.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis und Versorgungsrelevanz

Die Empfehlung wurde konsensbasierte ausgesprochen und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitlineingruppe. Sie findet sich in ähnlicher Form auch in anderen Nationalen Versorgungsleitlinien. Auf eine systematische Recherche wurde verzichtet, weil zu dieser Fragestellung keine Studien erwartet wurden und versorgungspraktische Aspekte bei der Begründung im Vordergrund standen.

Für diese Aspekte der Versorgungskoordination konnte in der strukturierten Recherche keine aggregierte Evidenz identifiziert werden. Bei der Langzeitbetreuung, der Koordination und der Dokumentation der veranlassten und durchgeführten Maßnahmen spielen insbesondere Hausärzt*innen eine tragende Rolle. Zur weiteren Koordination siehe auch Empfehlung 9-2.

Empfehlung

9-2 | k | neu 2023

Bei Betroffenen mit arterieller Hypertonie sollte die Behandlung in Kooperation mit anderen Fachgebieten insbesondere bei den in Tabelle 25 aufgeführten Konstellationen erfolgen.

Empfehlung

Tabelle 25: Mögliche Konstellationen zur Abstimmung oder Überweisung

Fachgebiet

Konstellationen für Abstimmung oder Überweisung

Endokrinologie und Diabetologie

  • Abklärung sekundärer Ursachen der Hypertonie (siehe auch Empfehlung 3-6)
  • Nicht-Erreichen individueller Therapieziele (z. B. HbA1c-Zielwert)
  • schwierige Stoffwechseleinstellung/antidiabetische Differentialtherapie

Frauenheilkunde und Geburtshilfe

  • hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft: Weiterbetreuung nach dem Wochenbett
  • Nachsorge bei hypertonen Erkrankungen oder Präeklampsie/Eklampsie/HELLP (Betreuung durch Fachärzt*innen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bis zum Ende des Wochenbettes (max. 8 Wochen nach Entbindung)) Abstimmung mit Hausärzt*innen/Internist*innen

Kardiologie

  • Verdacht auf Belastungshypertonie
  • Verdacht auf kardiovaskuläre Endorganschäden
  • Notfallmanagement und/oder zusätzliche Beschwerden/Komorbidität

Nephrologie

  • Abfall der eGFR um > 20% oder eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) < 45 ml/min/1,73 m2 (s. a. Empfehlung 3-4 sowie Empfehlung 3-5 b-c)
  • Verdacht auf Nierenarterienstenose
  • neu aufgetretene Proteinurie

Psychosomatik/
Psychotherapie

  • Verdacht auf Angststörung sowie bei deutlicher psychophysiologischer Komponente der Hypertonie (z. B. wiederholte Entgleisungen in Stress-Situationen)
  • bei persistierender Adhärenzproblematik

Hypertensiologe/-in, Hypertoniezentren
(zertifiziert – siehe: Weiterführende Information)

  • schwer einstellbare Hypertonie, Abklärung sekundärer Ursachen der Hypertonie
  • Indikationsstellung für bzw. Durchführung der renalen Denervation sowie ggf. der Barorezeptorstimulation

weitere

  • Abstimmung der Dauermedikation (z. B. Analgetika, Antirheumatika, Immunsupressiva: Abstimmung mit/Überweisung an Rheumatologie, Orthopädie)
  • bei klinischen Hinweisen auf therapiebedürftige schlafbezogene Atmungsstörungen (Abstimmung mit/Überweisung an Pneumologie, HNO, Schlafmedizin)
  • ätiologisch relevante Suchterkrankung (Abstimmung mit der Psychiatrie)
  • wenn aus Multimorbidität und Polypharmazie komplexe Fragestellungen resultieren (Abstimmung mit Geriatrie, Nephrologie und Einbindung von Apotheker*innen)
RationaleRationale

Die Leitliniengruppe spricht konsensbasiert eine Empfehlung zur Kooperation und Überweisung aus, wobei sich der abgeschwächte Empfehlungsgrad unter anderem durch die stark variierende Verfügbarkeit der Versorgungsangebote und die eingeschränkte Häufigkeit der aufgeführten Konstellationen bei arterieller Hypertonie begründet.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Tabelleninhalte wurden konsensbasiert auf Basis der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe zusammengestellt. Studien, welche die Überweisungskriterien der Empfehlung evaluieren, wurden im Rahmen der strukturierten Recherche nach hochwertigen Übersichtsarbeiten nicht identifiziert. Auf eine zusätzliche systematische Recherche wurde verzichtet, weil nach Einschätzung der Leitliniengruppe keine entsprechenden Studien zu erwarten sind. Als weiterführende Referenzen werden zudem die NVL relevanter Komorbiditäten herangezogen (www.leitlinien.de).

 Überlegungen Erwägungen, die die Empfehlung begründen

In der Tabelle sind Konstellationen aufgeführt, die besonders typisch und/oder prognostisch relevant für die Versorgung von Betroffenen mit Hypertonie sind und die eine komplexere Abstimmung bzw. Vorgehensweise erfordern. Je nach Kompetenz und Erfahrung des bzw. der Behandelnden ist bei einigen der aufgeführten Konstellationen eine Überweisung nicht unbedingt nötig, aber eine interdisziplinäre Absprache hilfreich. Dabei sind sowohl diagnostische als auch therapeutische Vorgehensweisen von Relevanz. Die jeweilige Verfügbarkeit bzw. Zugänglichkeit kann dabei je nach Region variieren. Fachspezifische Fortbildungen, beispielsweise als Hypertensiologe/-in, helfen dabei die Verfügbarkeiten zu erhöhen.

Der Einfluss der Komorbidität auf die Therapie ist zudem im Kapitel zur medikamentösen Therapie mit abgebildet (siehe Abbildung 5). Ergänzend verweist die Leitliniengruppe zur weiteren Diagnostik und Therapie der Ursachen auf die entsprechenden Leitlinien zur Grunderkrankung (www.awmf.org).

Zu Formen der Hypertonie in der Schwangerschaft verweist die Leitliniengruppe auf die S2k-Leitlinie zu hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen (Register-Nr. 015-018, www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-018.html) (siehe auch Kapitel 7.4 Patient*innen mit arterieller Hypertonie und Kinderwunsch).

 Informationen Weiterführende Informationen: Hypertensiolog*innen/Hypertoniezentren

Hypertensiolog*innen sind von der Deutschen Hochdruckliga zertifizierte Fachärzt*innen im Bereich des Bluthochdrucks, die jährliche Fortbildungen absolvieren. Sie arbeiten z. B. in Einzelpraxen als Hausärzt*innen, in Praxisgemeinschaften, einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einer Intensivambulanz im Krankenhaus (www.hochdruckliga.de). Hypertensiologie ist keine Gebietsbezeichnung gemäß (Muster-)Weiterbildungsordnung.

Zertifizierte Hypertoniezentren (inkl. Hypertensiologen DHL®) sind ein regionales oder überregionales Konglomerat aus Hypertensiolog*innen und anderen Expert*innen. Bislang sind sie nicht flächendeckend vorhanden, was die Zugänglichkeit einschränkt. Angestrebt wird die dreijährige Rezertifizierungsverpflichtung.

Die Europäische Gesellschaft für Hypertonie (ESH) verleiht zudem Spezialist*innen (Mitgliedern) die Bezeichnung "Hypertension Specialist of ESH" und veröffentlicht damit deutsche Exzellenzzentren der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie mit Spezialist*innen – die langjährige Erfahrung, interdisziplinäre Kenntnisse und Erfahrungen sowie spezielle Fähigkeiten aufweisen (www.eshonline.org).

9.2 Pflegekräfte und medizinische Fachangestellte

Empfehlung

9-3 | e | neu 2023

Pflegekräfte und medizinische Fachangestellte, die an der Betreuung von Patient*innen mit arterieller Hypertonie beteiligt sind, sollten aktiv auch in die Versorgungsplanung eingebunden werden.

Empfehlung

RationaleRationale

Es liegt Evidenz moderater Qualität zur prinzipiellen Gleichwertigkeit bei der Delegation bestimmter Leistungen vor (Indirektheit u. a. aufgrund unterschiedlicher Populationen und Definition von Leistungen sowie Unklarheiten in den Domänen der Risk of Bias Bewertung) 30025, 27883, 30004.

Interdisziplinäre Ansätze und Arbeitsteilung bzw. deren Übertragung sind in Bezug auf den demografischen Wandel, die Prävalenz und Inzidenz der arteriellen Hypertonie von Relevanz. Zu diesen Leistungen können beispielsweise die Blutdruckmessung im Rahmen des Monitorings, die Therapiebegleitung und Adhärenzförderung sowie eine intensivierte Versorgung bei Patient*innen mit komplexen Krankheitsbildern gehören. Dennoch spricht die Leitlinie keine generelle Empfehlung zur Delegation ärztlicher Leistungen aus, weil dies eine individuelle ärztliche Entscheidung ist und sich die Angemessenheit beziehungsweise Notwendigkeit je nach Versorgungsstruktur unterschiedlich darstellen kann.

Wo aber ärztliche Leistungen delegiert werden, ist es nach Einschätzung der Leitliniengruppe wichtig, die entsprechenden Personen in die Versorgungsplanung einzubinden, um angemessenen Informationsaustausch und damit optimale Versorgung zu ermöglichen. Ein Schadenspotenzial sieht die Leitliniengruppe nicht.

Da keine Daten aus dem deutschen Versorgungskontext vorliegen und da die Rahmenbedingungen für die Übertragung der Aufgaben noch in der Erprobungsphase sind (Modellvorhaben), spricht die Leitliniengruppe eine abgeschwächte Empfehlung aus.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf den in der strukturierten Recherche identifizierten systematischen Übersichtsarbeiten 30025, 27883, 30004 und der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Die Evidenzgrundlage berichtet über Pflegekräfte, die involviert waren in den Erstkontakt zu den Betroffenen, die Prävention sowie die Langzeitbetreuung chronisch Erkrankter, insbesondere in Bezug auf Lebensstiländerungen, Folgeverordnungen, Monitoring und Schulung der Patient*innen.

Es ist darauf hinzuweisen, dass es international eine hohe Variabilität in der Primärversorgung gibt und die Fachkräfte unterschiedliche Komponenten in der Versorgung ausüben, was sich auch durch die unterschiedlichen Gesundheitssysteme erklären lässt. Berichtet wurden v. a. Studien aus dem Vereinigten Königreich (UK), den Niederlanden, den USA und Kanada, wobei die Durchführung in Praxen von Haus- bzw. weiteren Fachärzt*innen oder speziellen "Nurse clinics" erfolgte.

Das "shared care" Prinzip wird dabei mit seinem Ursprung in Großbritannien gesehen und beinhaltet als integralen Bestandteil eine intensivierte Kommunikation zwischen hausärztlicher Langzeit- und fachärztlicher Versorgung integriert in ein multidisziplinäres Team. In den eingeschlossenen Studien wird dabei u. a. von spezialisierten Pflegekräften, medizinischen Fachangestellten sowie "home care nurses" und weiteren Professionen wie psychologischen Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen ausgegangen.

Blutdruck

Die Evidenz berichtet über eine geringe, aber relevante Verbesserung von Therapieergebnissen in Bezug auf den Blutdruck (Intervention vs. Kontrolle: systolisch MD -3,73 (95% KI -6,02; -1,44); moderate Aussagesicherheit der Evidenz/diastolisch MD -2,54 (95% KI -4,57; -0,52); n = 3 Studien; moderate Aussagesicherheit der Evidenz; hohes Risk of Bias) 30025; bzw. das Blutdruckmanagement (systolischer Blutdruck MD 3,47 (95% KI 1,68; 5,25) zugunsten der Shared Care Ansätze; n = 16 Studien (n = 6 977 Teilnehmende); moderate Aussagesicherheit der Evidenz; Heterogenität u. a. durch verschiedene Studienpopulationen; n = 1 Studie (n = 490 Patient*innen) zu Bluthochdruck, Analyse n = 7 Studien (n = 3 024 Patient*innen) 27883. Auch zur Begleitung der Betroffenen durch das Praxispersonal ("nurse-prescribing" und teilweise Apotheker*innen) im Rahmen der Folgeverordnung, gegenüber der alleinigen ärztlichen Betreuung, wurden etwas stärker gesenkte Blutdruckwerte nach 12 Monaten berichtet (systolisch MD -5,31 mmHg (95% KI -6,46; -4,16); n = 12 Studien (n = 4 229 Teilnehmende); moderate Aussagesicherheit der Evidenz – Heterogenität; unterschiedliche Studienpopulationen) 30004. Die Autor*innen begründeten dies u. a. mit einer Förderung der Adhärenz (Intervention vs. Kontrolle: MD 0,15 (95% KI 0,00; 0,30); n = 4 Studien (n = 700 Teilnehmende); moderate Aussagesicherheit der Evidenz – Risk of Bias; unterschiedliche Messinstrumente, z. B. Morisky Medication Adherence Scale, Medication Possession Ratio, Selbstbericht, Pill Count, Electronic Drug Event Monitoring, Medication Refill) sowie des Selbstmanagements 30004.

Gesundheitsbezogene Endpunkte

Es werden gleiche oder bessere Effekte auf die betrachteten gesundheitsbezogenen Endpunkte (n = 13 Studien; mittlere Nachbeobachtung 14 Monate (SD 12); geringe bis moderate Aussagesicherheit der Evidenz; zumeist selbstberichtet) sowie den Gesundheitsstatus (wie körperliche Leistungsfähigkeit; RR 1,03 (95% KI 0,98; 1,09); n = 3 Studien; geringe Aussagesicherheit der Evidenz; Indirektheit, Risk of Bias) berichtet, im Vergleich zu einer ausschließlich durch Ärzt*innen angebotenen Betreuung 30025.

Zufriedenheit der Patient*innen

Eine etwas gesteigerte Zufriedenheit der Patient*innen wird im Vergleich der Betreuung durch Pflegekräfte gegenüber Ärzt*innen berichtet (SMD 0,08 (95% KI 0,01; 0,15); n = 7 Studien (n = 16 993 Teilnehmende); mittlere Nachbeobachtungszeit 12 Monate (SD 10); moderate Aussagesicherheit der Evidenz; Heterogenität) 30025. Hierbei ist zu beachten, dass die eingeschlossenen Studien eine Vielzahl an Messverfahren für die Zufriedenheit berichteten, weshalb das statistische Zusammenfassen der Ergebnisse erschwert wurde.

Die Autor*innen begründen eine verstärkte Zufriedenheit u. a. mit ausführlicheren und patient*innenorientierten Anweisungen bzw. Hinweisen zur Umsetzung der Therapie. Im Allgemeinen ergab sich auch eine höhere Zufriedenheit, wenn die Folgeverordnung – ohne weitere gesundheitliche Beschwerden oder Dringlichkeit – direkt über das Praxispersonal erfolgte (n = 14 Studien (n = 7 514 Betroffene), moderate Aussagesicherheit der Evidenz – Indirektheit, Heterogenität, nicht-validierte Messinstrumente) 30004.

Lebensqualität

Ebenso wird eine etwas höhere Lebensqualität berichtet (SMD 0,16 (95% KI 0,00; 0,31); n = 6 Studien (n = 16 002 Teilnehmende); mittlere Nachbeobachtungszeit 15 Monate (SD 9); geringe Aussagesicherheit der Evidenz; Heterogenität und weite Konfidenzintervalle), was unter anderem mit einem längeren Kontakt zur Pflegekraft (moderate Aussagesicherheit der Evidenz), häufigeren Kontakten (hohe Aussagesicherheit der Evidenz) und anderen Schwerpunkten der Betreuung begründet wird 30025.

Für Shared Care Interventionen gaben fünf der 15 die Lebensqualität berichtenden Studien etwas gesteigerte Effekte gegenüber der Vergleichsgruppe an, wobei hier starke klinische Heterogenität angegeben wurde 27883. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde auch gesteigert, wenn die Folgeverordnung direkt über das Praxispersonal erfolgte (SF-12 und SF-36 Score, physische Komponente: MD 1,17 (95% KI 0,16; 2,17); n = 8 Studien (n = 4 631 Betroffene), moderate Aussagesicherheit der Evidenz – Indirektheit) 30004.

Mortalität und Morbidität

Es wurden Hinweise auf eine geringfügig geringere bis vergleichbare Mortalität berichtet, wobei die Ergebnisse hier sehr heterogen und die absoluten Zahlen sehr klein waren (Intervention vs. Kontrolle: 4,84/1 000 (95% KI 4; 6) vs. 6,29/1 000; RR 0,77 (95% KI 0,57; 1,03); n = 8 Studien (n = 36 529 Teilnehmende); mittlere Nachbeobachtung 21 Monate (SD 19); geringe Aussagesicherheit der Evidenz; u. a. Heterogenität und weite Konfidenzintervalle) 30025. In Bezug auf andere Morbiditätsendpunkte werden Unsicherheiten bzw. mangelnde Daten berichtet 30025.

 Überlegungen Erwägungen, die die Empfehlung begründen

Der demografische Wandel stellt das Gesundheits- und Pflegewesen vor vielfältige Herausforderungen, die zunehmend interdisziplinäre Ansätze erfordern, auch in der Verantwortungs- und Aufgabenverteilung bzw. Arbeitsteilung zwischen den Heilberufen. Die Aufgaben der Pflege in der Versorgung von Patient*innen mit Hypertonie umfassen – neben der Durchführung ärztlicher Anordnungen und Assistenz in diagnostischen und therapeutischen Verfahren – das Monitoring klinischer Parameter, Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme (Stellen und Verabreichen von Medikamenten, Beobachten und Informieren bezüglich Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen (Arzneimitteltherapiesicherheit), Identifikation potenzieller Probleme bei der Einnahme und gemeinsame Suche nach Lösungen), das Erkennen von hypertensiven Entgleisungen und den sich daraus ableitenden Interventionen (Information an behandelnden Arzt/die behandelnde Ärztin) sowie Patientenedukation (Schulung, Information; s. a. Empfehlung 6-9). Die Schwerpunkte dieser Aufgaben variieren je nach Versorgungsauftrag und individuellem Bedarf der Patient*innen. Zudem werden zukünftig verstärkt klinische Leistungen auch im ambulanten Bereich verfügbar sein bzw. in diesen übergehen. Dabei werden neue Berufsbilder für das bestehende Personal definiert und so neue Kapazitäten und Perspektiven geschaffen.

Neue gesetzliche Regelungen zur Aus-/Fort- und Weiterbildung werden dabei auch zukünftig von Relevanz sein (siehe auch Schriften der Fachkommission nach § 53 Pflegeberufegesetz (PflBG) Standardisierte Module zum Erwerb erweiterter Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Aufgaben – Modellvorhaben nach § 63 SGB V, www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17717). Hierbei werden fakultativ erweiterte Kompetenzen zur Erstausbildung als zusätzliches Ausbildungsangebot erworben, das zum Zwecke der Weiterentwicklung des Pflegeberufes erprobt wird. Zudem gibt es bereits erste Ansätze zur Stärkung der primären Gesundheitsversorgung (Masterstudienprogramm zur Qualifizierung als "Community Health Nurse" (kurz CHN) – die auch international in Gesundheitszentren bzw. integrierten Versorgungsangeboten verfügbar sind), um eine Lücke bei der hausärztlichen Versorgung insbesondere in ländlichen, aber auch städtischen Regionen zu verhindern. Beispielhaft umgesetzt im Projekt FAMOUS – Fallbezogene Versorgung multimorbider Patient*innen in der Hausarztpraxis durch Advanced Practice Nurses. Ein weiteres Beispiel stellt das Projekt PIA – IT-gestütztes Fallmanagement zur Optimierung der Hypertonie-Therapie: Ein Delegationsprojekt für geschulte MFA in Hausarztpraxen dar.

Speziell qualifizierte medizinische Fachangestellte, wie Assistent*innen für Hypertonie und Prävention (in zertifizierten Hypertoniezentren), gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dabei zielen regionale Modelle auf die Entlastung in der Praxis sowie auf eine verbesserte Versorgung – insbesondere in strukturschwachen Regionen. Daher beziehen die Autor*innen bewusst diese medizinischen Fachangestellten in der Empfehlung mit ein.

Ergänzend verweist die Leitliniengruppe auf die Empfehlungen der Kapitel 5.3 Information und Kommunikation, 5.4 Adhärenz und 5.5 Selbstmanagement. Eine individuelle Unterstützung bei Lebensstilinterventionen ist weiterhin von besonderer Relevanz, auch aus Sicht der Vertretung der Patient*innen (s. a. Kapitel 9.4 Selbsthilfe sowie Kapitel 6.9 Schulung). Voraussetzung für die Erfüllung der beschriebenen Aufgaben ist, dass die Fachkräfte als Mitglied im interdisziplinären Team über individuelle Therapieempfehlungen informiert und nach Wunsch der Betroffenen in die Behandlungsplanung einbezogen werden.

Pflegende Angehörige im Kontext von Patient*innen mit Hypertonie (ohne weitere Komorbidität) können wichtige Akteure der Versorgung sein, werden aber eher im Kontext der Komorbidität gesehen, weshalb der Verweis auf die weiteren NVL als ausreichend eingeschätzt wird (www.leitlinien.de).

 Kapitel Forschungs- bzw. Evaluationsbedarf

Die systematischen Übersichtsarbeiten definieren ergänzenden Forschungsbedarf v. a. für qualitative Studien, die beim Verständnis und der Entwicklung tragfähiger Kooperationskonzepte und Modelle helfen sowie zur Hypothesengenerierung genutzt werden können.

9.3 Apotheker*innen

Empfehlung

9-4 | e | neu 2023

Apotheker*innen sollten in die multidisziplinäre Versorgung von Patient*innen mit arterieller Hypertonie eingebunden werden.

Empfehlung

RationaleRationale

Es liegt Evidenz moderater bis geringer Qualität für eine prinzipielle Wirksamkeit verschiedener komplexer Interventionen durch Apotheker*innen bei der Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen vor – auch im Hinblick auf die Blutdruckwerte (Indirektheit u. a. auf Grund komplexerer Interventionen und größeren Populationen sowie Unklarheiten in den Domänen der Risk of Bias Bewertung) 30012, 30981, 31008).

Zu solchen Interventionen gehören beispielsweise die 'standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck' in der Apotheke sowie die 'Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation' in der Apotheke, die Schulung und Beratung (auch zu Blutdruckmessgeräten), die Meldung von beobachteten bzw. wahrscheinlichen schweren Nebenwirkungen und Interaktionen an die behandelnden Ärzt*innen, die Adhärenzförderung sowie das Risikomanagement (z. B. Verdacht auf Fehlgebrauch), die Patient*innen in der Apotheke direkt in Anspruch nehmen können.

Um zu gewährleisten, dass diese Interventionen sich in ein therapeutisches Gesamtkonzept einordnen, ist eine angemessene Einbindung und die Etablierung von verlässlichen Kommunikationsstrukturen wichtig, um ein mögliches Schadenspotenzial, das die Leitliniengruppe in einer Verunsicherung von Patient*innen und einer daraus resultierenden möglichen Beeinträchtigung des Arzt-Patienten-Verhältnisses sowie notwendiger Mehrarbeit für die verordnenden Ärzt*innen (insbesondere Hausärzt*innen) sieht, zu verringern. Da insbesondere gute Kommunikationsstrukturen noch nicht überall etabliert sind, spricht die Leitliniengruppe eine abgeschwächte Empfehlung aus.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf den in der strukturierten Recherche identifizierten systematischen Übersichtsarbeiten 30012, 30981, 31008 und der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Die Evidenz bildet Patient*innen mit chronischen Erkrankungen ab, wobei Bluthochdruck, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Typ-2-Diabetes im Fokus standen. Patient*innen mit Depressionen als Komorbidität wurden ebenso berichtet. Berichtet wurde primär über Studien aus den USA, dem Vereinigten Königreich, Kanada und Australien.

Sie fasst komplexe Interventionen durch Apotheker*innen zusammen (z. B. Medikationsanalyse, Analyse von Diskrepanzen, Rezepterinnerung, Medikationsanpassungen gemeinsam mit der Arztpraxis, Schulungen der Patient*innen bzw. Anwendungstraining und Motivation, Begleitung zu Lebensstiländerungen bspw. bei Raucher*innen), wobei anzumerken ist, dass nicht immer alle Komponenten (detailliert) beschrieben wurden. Zudem wurde angegeben, dass Interventionen an die individuellen Bedürfnisse und Reaktionen der Betroffenen angepasst wurden.

Einige Interventionen richteten sich dabei bewusst an Patient*innen mit Komorbidität (Multimorbidität, Polymedikation) bzw. deren Sekundärprävention oder ältere Betroffene sowie im Rahmen von spezialisiertem Risiko- und/oder Medikationsmanagement. Eine der Arbeiten fokussierte zudem auf die Veränderung der Versorgung hin zu Fallmanagement oder verstärkter interdisziplinärer Kooperation.

Blutdruck

Interventionen durch Apotheker*innen reduzierten den Anteil an Patient*innen, die ihre vereinbarten Therapieziele in Bezug auf den Blutdruck nicht erreichten (Intervention vs. Kontrolle: 328/1 000 (95% KI 261; 402) vs. 550/1 000; OR 0,40 (95% KI 0,29; 0,55); n = 18 Studien (n = 4 107 Patient*innen); geringe Aussagesicherheit der Evidenz; u. a. auf Grund von Heterogenität (Population und Intervention) zwischen den Studien; mittlere Beobachtungsdauer 7,4 Monate (SD 5,6)) 30012. Zudem konnte der Blutdruck reduziert werden (Intervention vs. Kontrolle: systolisch SMD -5,96 mmHg (95% KI -7,35; -4,57); n = 32 Studien (n = 6 003 Patient*innen; diastolisch SMD -3,50 mmHg (95% KI ‑5,44; -1,56); n = 31 Studien (n = 5 939 Patient*innen); starke Heterogenität beschrieben) 30012. Ergänzend siehe auch Shared Care Ansätze unter Kapitel 9.2 Pflegekräfte und medizinische Fachangestellte 30004.

Adhärenz

Eine geringe Steigerung der korrekten Arzneimittelanwendung sowie Adhärenz (absolute Differenz variierte zwischen 10% und 40%) wurde für etwa 50% der diesen Endpunkt berichtenden Studien mit Interventionen bei Patient*innen mit Multimorbidität angegeben (geringe Aussagesicherheit der Evidenz; u. a. Heterogenität, geringe Effektstärke) sowie eine geringe Steigerung gesundheitsbezogenen Verhaltens (Steigerung der körperlichen Aktivität (zusätzliche 18 Minuten Spaziergang pro Woche) bzw. des Kalorienverbrauchs (2 516 kcal pro Woche); moderate Aussagesicherheit der Evidenz, Studiendauer über mehrheitlich 6 bis 12 Monate) 31008. Ergänzend siehe auch Shared Care Ansätze unter Kapitel 9.2 Pflegekräfte und medizinische Fachangestellte 30004.

Gesundheitsbezogenes Verhalten

Gesundheitsfördernde Interventionen in Apotheken führten zu verbessertem gesundheitsbezogenen Verhalten der Teilnehmenden (Intervention vs. Kontrolle: SMD 0,43 (95% KI 0,14; 0,72); n = 10 Studien (n = 2 138 Teilnehmende); moderate Aussagesicherheit der Evidenz; u. a. fehlende bzw. nicht mögliche Verblindung, Heterogenität sowie ein Risiko für einen Publikationsbias; mittlere Beobachtungsdauer häufig unklar, teilweise mit 12 Monaten angegeben) 30981. Die Interventionen beinhalteten Techniken in Anlehnung an die motivierende Gesprächsführung und zur Förderung des Selbstmanagements/-monitorings, die zuvor trainiert wurden sowie Informationsmaterialien für die Betroffenen 30981.

Lebensqualität

Zudem wurde eine leicht gesteigerte Lebensqualität durch gesundheitsfördernde Interventionen in Apotheken berichtet (Intervention vs. Kontrolle: SMD 0,29 (95% KI 0,08; 0,50); n = 10 Studien (n = 2 687 Teilnehmende); moderate Aussagesicherheit der Evidenz) 30981.

Mortalität und Morbidität

Geringe bis keine unterschiedlichen Effekte wurden in Bezug auf die Krankenhauseinweisungen (Intervention vs. Kontrolle: 188/1 000 (95% KI 150; 322) vs. 214/1 000; OR 0,85 (95% KI 0,65; 1,11); n = 14 Studien (n = 3 631 Patient*innen); moderate Aussagesicherheit der Evidenz) sowie die Mortalität (Intervention vs. Kontrolle: 111/1 000 (95% KI 81; 150) vs. 137/1 000; OR 0,79 (95% KI 0,56; 1,12); geringe Aussagesicherheit der Evidenz) beschrieben 30012.

Klinische Ergebnisse für Interventionen bei Patient*innen mit Multimorbidität wurden ebenso mit geringen bis keinen Unterschieden berichtet (standardisierte Effektgrößen: Variation 0,01 bis 0,78; wobei eine geringe Anzahl eine Effektstärke > 0,5 aufwies (v. a. Interventionen zum Risikofaktorenmanagement sowie bei Komorbidität); n = 10 Studien; moderate Aussagesicherheit der Evidenz) 31008. Endpunkte zur Mortalität und Morbidität wurden für gesundheitsfördernde Interventionen nicht berichtet 30981.

 Überlegungen Erwägungen, die die Empfehlung begründen

Apotheken werden im Versorgungsalltag von Betroffenen häufig aufgesucht. Zudem stellen sie oft eine zusätzliche Anlaufstelle für die Patient*innen dar, insbesondere auch für die Selbstmedikation. Daraus ergibt sich ein Handlungsfeld in der Prävention und in der Langzeitbegleitung, insbesondere im Bereich der Arzneimitteltherapiesicherheit.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) wurde der Anspruch der Patient*innen auf pharmazeutische Dienstleistungen gesetzlich festgeschrieben. Diese Änderung wurde seitens der Bundesärztekammer und der AkdÄ als kritisch kommentiert, insbesondere mit dem Hinweis auf Doppelstrukturen, die geschaffen und Leistungen, die ggf. doppelt erbracht würden. 33617

Bestimmt werden hier in der Regel der Blutdruck, mögliche Nebenwirkungen und Interaktionen der bekannten Medikation sowie Verdachtsmomente auf Fehlgebrauch. Apotheker*innen beraten u. a. zur Medikation und Messgeräten, schulen Patient*innen und fördern die Adhärenz. Somit sind Angebote zur Gesundheitsförderung sowie pharmazeutischen Betreuung in den Vor-Ort-Apotheken verfügbar. Eine Medikationsanalyse bei mindestens fünf Dauermedikamenten ist seit 2022 optionale Regelleistung im Dienstleistungsfonds der deutschen Apotheken sowie enthalten im gesetzlichen Anspruch der Versicherten nach VOASG ‚Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation‘ unter den vorgegebenen Bedingungen. Gut 10 000 Apotheker*innen in allen Bundesländern wurden laut Bundesapothekerkammer in den postgraduierten Ausbildungscurricula Apo-AMTS, ARMIN und ATHINA für Medikationsanalysen qualifiziert.

Die Leitliniengruppe diskutiert dabei Evaluationen zur Medikationsanalyse bei Polymedikation und berichtet über die Erfahrung mit Diskrepanzen zwischen dokumentierter und berichteter bzw. eingenommener Medikation. Zudem werden Erfahrungen zum interprofessionellen Medikationsmanagement ausgetauscht, die in allen Bereichen der pharmazeutischen Betreuung (ambulant und stationär) vorhanden sind. Die Identifikation von Patient*innen mit einem besonderen Risiko und die erweiterte Kenntnis zur eingenommen Medikation zielen auf die Reduktion von Risiken sowie eine gesteigerte Therapieadhärenz. Sichere Therapieentscheidungen sowie eine leitliniengerechte Therapie werden dabei angestrebt. In einer clusterrandomisierten Studie aus dem deutschen Versorgungsalltag konnte bei Patient*innen mit kardiovaskulären Indikationen und Polymedikation die Qualität der Pharmakotherapie durch ein interprofessionelles Medikationsmanagement verbessert werden 31376. Die Kommunikationswege sind dabei vielfältig. Auch die hausärztliche Leitlinie Multimedikation verweist auf die interdisziplinäre Kommunikation und deren Zukunft (Leitliniengruppe Hessen, DEGAM: S3-Leitlinie Multimedikation, Langfassung, AWMF-Registernummer: 053–043. 2. Auflage 2021. Die Leitlinie ist unter www.degam.de/degam-leitlinien-379.html sowie unter www.awmf.org abrufbar).

 Informationen Weiterführende Informationen: Pharmazeutische Dienstleistungen

Arbeitshilfen zu pharmazeutischen Dienstleistungen in der Apotheke stellt der Deutsche Apothekerverband e. V. bereit, u. a.:

 Kapitel Forschungs- bzw. Evaluationsbedarf

Die systematischen Übersichtsarbeiten definieren ergänzenden Forschungsbedarf für pharmazeutische Dienstleistungen und gesundheitsfördernde Interventionen in Apotheken. Hervorgehoben werden hierbei die Steigerung der Studienqualität, u. a. durch die Betrachtung/Beschreibung einzelner Komponenten der Interventionen sowie die Berücksichtigung unterschiedlicher Populationen.

9.4 Selbsthilfe

Die Angebote der Selbsthilfe können für bestimmte Gruppen von Patient*innen mit Hypertonie sehr relevant sein. Dazu zählen insbesondere Menschen mit hoher Krankheitslast, Leidensdruck oder krankheitsbedingt belastender persönlicher Situation. Andererseits besteht erfahrungsgemäß bei unkomplizierter Hypertonie oft kein Leidensdruck sowie kein Bedürfnis nach Angeboten der Selbsthilfe. Treten aber Einschränkungen der Lebensqualität, Komorbidität oder der Wunsch/das Interesse zum Austausch mit Betroffenen auf, stellen Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfegruppen wertvolle Angebote zur Verfügung. Wichtig ist im Bedarfsfall, auf diese Angebote auch ärztlicherseits aktiv hinzuweisen.

Bei entsprechenden Selbsthilfe-Angeboten hält die Leitliniengruppe insbesondere die Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit für wichtig, die unter anderem durch transparent erkennbare Träger und Finanzierung gefördert wird. Qualifizierte und begleitete Selbsthilfegruppen für Bluthochdruckerkrankte können dabei die Verlässlichkeit und Motivation der Beteiligten fördern

Zur Information und Unterstützung verweist die Leitliniengruppe auf die Kurzinformationen des ÄZQ:

Wichtig erscheint hierbei die Einbindung in die ärztliche Versorgung, um die Betroffenen im Rahmen der Diagnostik und Therapie optimal und kohärent zu begleiten (siehe auch Empfehlung 6-1).

9.5 Rehabilitation

Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) definiert die Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohten Menschen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen.

Als Behinderungen definiert das SGB IX dabei körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen, die in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate beeinträchtigen (vgl. 32744).

Ziel ist es, die Selbstbestimmung sowie die volle, wirksame und gleichwertige Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.

Für die NVL Hypertonie diskutiert die Leitliniengruppe eine Indikation zur Rehabilitation und weist auf den gesetzlichen Anspruch nach SGB IX hin. Aufgrund der hohen Korrelation der Hypertonie-Inzidenz mit Lebensstilfaktoren, wie z. B. Bewegungsarmut, Ernährungsfehlern, falschem Stressmanagement sowie der Wirksamkeit nicht medikamentöser Therapieverfahren (siehe vorherige Kapitel), gibt es für Patient*innen mit der Motivation zur Lebensstiländerung durchaus die Indikation zur Rehabilitation. Nach Einschätzung der Leitliniengruppe stellt eine therapeutisch gut eingestellte arterielle Hypertonie ohne weitere Komorbidität oder Morbidität nach invasiven Eingriffen keine eigene Indikation zur Rehabilitation dar. Bei Komorbidität verweist sie unter anderem auf die Inhalte der weiteren NVL, wie KHK und Herzinsuffizienz (www.leitlinien.de).

Hervorgehoben wird die nachhaltige Unterstützung von Betroffenen mit Hypertonie in der Langzeitversorgung (u. a. durch Anschlusstermin, Erinnerung, Selbsthilfegruppen etc.).

NVL Hypertonie, Version 1.0, 2023

NVL Hypertonie – Weitere Formate

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zuletzt verändert: 29.06.2023 | 10:08 Uhr