NVL COPD (2021)

4 Nicht-medikamentöse Therapie

4.1 Körperliches Training

4.1.1 Indikationen

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-1

Alle Patient*innen mit COPD sollen unabhängig vom Krankheitsstadium über die hohe Relevanz und den Nutzen von körperlicher Aktivität im Alltag und von körperlichem Training aufgeklärt und über deren positiven Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung informiert werden.

Mögliche Ängste/Barrieren (siehe Tabelle 12), die Ausübung von körperlicher Aktivität im Alltag und von körperlichem Training betreffend, sollen aktiv angesprochen und ggf. Lösungsansätze gesucht werden.

Starke Empfehlung

4-2

Bei allen Patient*innen mit COPD soll das Ausmaß der körperlichen Aktivität regelmäßig erfragt werden und sie sollen ggf. zu mehr körperlicher Aktivität motiviert und beraten werden.

Starke Empfehlung

4-3

Patient*innen mit COPD soll ein an die individuellen Voraussetzungen angepasstes, angeleitetes körperliches Training empfohlen werden.

Starke Empfehlung

4-4

Patient*innen mit COPD, die zu selbstständiger sportlicher Aktivität nicht in der Lage sind, sollte Rehabilitationssport (z. B. Lungensport) empfohlen und verordnet werden.

Abgeschwächte Empfehlung

RationaleRationale

Die Evidenzqualität für die Wirksamkeit von körperlichem Training wird insgesamt als gering eingeschätzt. Zwar liegen insbesondere zum Vergleich zu keinem Training Daten mit moderater Evidenzqualität vor, diese beziehen sich aber nur auf einzelne Sportarten und lassen keine verallgemeinernden Aussagen zu. Dennoch schätzt die Leitliniengruppe auf Basis der vorhandenen Evidenz sowie aus eigener klinischer Erfahrung jegliche Art des körperlichen Trainings als wirksam ein, insbesondere im Hinblick auf den Erhalt der Autonomie, der in den vorliegenden Studien nicht untersucht wurde. Auf Basis der verfügbaren Daten lassen sich keine Aussagen ableiten, welche Form oder welcher Umfang der Aktivität besonders wirksam sind. Deshalb spricht die Leitliniengruppe eine starke Empfehlung für körperliche Aktivität aus, ohne die Art der Aktivität weiter zu spezifizieren.

Die Leitliniengruppe möchte deutlich darauf hinweisen, dass nicht-medikamentöse Therapiemaßnahmen einen hohen Stellenwert in der Therapie von Patient*innen mit COPD einnehmen und empfiehlt ausdrücklich, diese vor der Einleitung medikamentöser Langzeit-Maßnahmen (siehe Abbildung 4) zu beginnen. Auch bei schweren Krankheitsstadien profitieren Patient*innen mit COPD erfahrungsgemäß von einem dem körperlichen Zustand angemessenem körperlichem Training. Eine Ausnahme hiervon bildet der Vorrang medikamentöser Therapie in medizinischen Akutsituationen.

Es fehlen Daten, die strukturierte Rehabilitationssport-Programme mit anderen Angeboten körperlicher Aktivität vergleichen. Daher spricht die Leitliniengruppe hier eine abgeschwächte Empfehlung aus. Sie betont aber, dass gerade Rehasport auf Grund seiner strukturellen Rahmenbedingungen gute Voraussetzungen bietet, solchen Menschen Sport zu ermöglichen, die zu selbstständiger körperlicher Aktivität temporär oder dauerhaft nicht in der Lage sind.

Tabelle Tabelle 12: Beispiele für Barrieren

Tabelle 12: Beispiele für Barrieren

Beispiele für Barrieren

Angst vor Dyspnoe bei Belastung, Bewegungsangst

Bewegungseinschränkungen durch vorübergehende oder dauerhafte Beeinträchtigung der Funktionalität von Skelett- und Bewegungsapparat (z. B. Arthritis, Arthrose), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. pAVK) und andere bewegungseinschränkende Komorbiditäten (z. B. Schwindel, Wahrnehmungsstörungen)

Psychische Störungen (z. B. Angst, Depression) und Belastungen

Übergewicht

Allgemeine Antriebslosigkeit

Unerfahrenheit bzgl. Training, eingeschränkte Gesundheitskompetenz

Soziales Umfeld (z. B. pflegebedürftige Angehörige)

Angst vor Ansteckung

Mögliche Ängste oder Hemmungen der Patient*innen körperliche Aktivität in den Alltag einzubauen oder ein körperliches Training zu beginnen, werden beispielhaft in Tabelle 12 dargestellt. Die Leitliniengruppe empfiehlt den Behandelnden, diese aktiv anzusprechen und gemeinsam mit den Patient*innen geeignete Lösungen zu finden.

Neben der Aufklärung zur Relevanz von körperlichem Training ist auch die individuelle Betrachtung des oder der Erkrankten hinsichtlich der Komorbiditäten wichtig. Entsprechend des gesundheitlichen Zustandes sowie der jeweiligen Präferenzen können passende Bewegungsformen gefunden werden.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis und Versorgungsproblem

Die Empfehlungen 4-1 bis 4-4 basieren auf systematischen Recherchen und den klinischen Erfahrungen der Leitliniengruppe. Die Leitliniengruppe nimmt als Versorgungsproblem wahr, dass Menschen mit COPD zu selten zu körperlichem Training ermutigt und motiviert werden, insbesondere, wenn Ängste oder Vorbehalte bestehen.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Zur Fragestellung der Wirksamkeit von körperlichem Training wurden mehrere systematische Recherchen durchgeführt.

In einer strukturierten Recherche nach aggregierter Evidenz konnten zwei Cochrane-Reviews 27035, 27016 identifiziert werden, welche die Effekte von allgemeinem körperlichen Training bei Patient*innen mit COPD untersuchten. Für die Darstellung der Wirksamkeit zu einzelnen Interventionen/Sportarten siehe Kapitel 4.1.2 Unterschiedliche Trainingsinterventionen.

Ein Cochrane-Review 27016 verglich die optimale Intensität und Art des Beintrainings für Patient*innen mit COPD. Aufgrund der geringen Anzahl eingeschlossener Studien und Teilnehmer können jedoch keine Rückschlüsse auf mögliche Effekte einer höheren oder niedrigeren Trainingsintensität gezogen werden. Hinsichtlich des Vergleiches zwischen kontinuierlichem Training und Intervalltraining scheinen beide gleichermaßen wirksam bei der Verbesserung der Trainingskapazität (6MWD: MD -3,10m (95% KI -17,88; 11,69); I² = 0,0%, 6 RCTs, n = 287, Evidenzqualität niedrig), der Symptome und der Lebensqualität (Total CRQ: MD 2,51 (95% KI -1,32; 6,34); I² = 0,0%, 4 RCTs, n = 212, Evidenzqualität moderat) zu sein.

McKeogh et al. 27035 untersuchten die Auswirkungen des Trainings der oberen Extremitäten (Ausdauer- oder Krafttraining oder beides) auf Dyspnoe und Lebensqualität. Hier ergaben sich Hinweise, dass im Vergleich zu keinem Training oder einer Scheinintervention die Dyspnoe (CRQ dyspnoea: MD 0,37 (95% KI 0,02; 0,72); I² = 0,0%, 4 RCTs, n = 129, Evidenzqualität moderat), aber nicht die Lebensqualität (CRQ total: SMD 0,05 (95% KI -0,31; 0,40); I² = 0,0%, 4 RCTs, n = 126, Evidenzqualität moderat) verbessert werden konnten. Da dieser Cochrane-Review nur den Effekt des Trainings der oberen Extremitäten untersucht, hält die Leitliniengruppe die Ergebnisse nur für bedingt aussagekräftig in Bezug auf die prinzipielle Wirksamkeit körperlicher Aktivität.

 Patientenblatt Patienteninformation

Hinweise zu körperlicher Aktivität werden in der Patienteninformation "Warum Bewegung wichtig ist" dargestellt (siehe Patientenblätter).

4.1.2 Unterschiedliche Trainingsangebote und Sportarten

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

In der strukturierten Recherche nach aggregierter Evidenz wurden mehrere Cochrane-Reviews zu den Themen wasserbasiertes Training, neuromuskuläre Elektrostimulation, Tai Chi und Active Mind-Body Movement Therapies identifiziert. Zusätzliche systematische Recherchen wurden zu den Themen Ganzkörpervibration und Atemmuskeltraining durchgeführt.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Die identifizierten Daten zu einzelnen Interventionen legen ebenfalls nahe, dass Patient*innen mit COPD von jeder Art der körperlichen Aktivität im Vergleich zu keiner Bewegung profitieren können:

Der Cochrane-Review von Mc Namara et al. 27025 ermittelte, dass wasserbasiertes Training im Vergleich zu keinem körperlichen Training bei Patient*innen mit COPD sowohl die 6MWD (MD 62,1m (95% KI 44,3; 79,9); I² = 27%, 3 Studien, n = 99, Evidenzqualität moderat) als auch die Lebensqualität (SMD -0,97 (95% KI -0,37; -1,57); I² = 0,0%, 1 Studie, n = 19, Evidenzqualität niedrig) verbesserte. Es konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen landbasierten und wasserbasierten Interventionen gefunden werden.

Die Ergebnisse eines Cochrane-Reviews zur neuromuskulären Elektrostimulation (NMES) 27085 liefern Hinweise, dass bei isolierter Anwendung Fortschritte bezüglich der Leistungsfähigkeit (MD 39,26m (95% KI 16,31; 62,22); I² = 0,0%, 2 RCTs, n = 72, Evidenzqualität niedrig) und der Dyspnoe – Symptomatik (MD -1,03 (95% KI -2,13; 0,06); I² = 59%, 3 RCTs, n = 32, Evidenzqualität sehr niedrig) im Vergleich zur üblichen Versorgung allein (usual care) erreicht werden können. NMES zusätzlich zu einem körperlichen Training könnte dazu beitragen, dass intensiv betreute Patient*innen mit COPD weniger Tage im Bett verbringen (4,98 Tage (95% KI -8,55; -1,41); I² = 60%, 2 RCTs, n = 22, Evidenzqualität sehr niedrig).

Ein Cochrane-Review 26998 untersuchte die Effekte von Tai Chi bei Patient*innen mit COPD. Hier ergaben sich Anhaltspunkte für eine Verbesserung der 6MWD (MD 29,64m (95% KI 10,52; 48,77); I² = 59%, 6 RCTs, n = 318, Evidenzqualität sehr niedrig), wenn Tai Chi mit der üblichen Versorgung verglichen wurde. Wurde Tai Chi jedoch zusätzlich zu einer anderen Intervention durchgeführt und mit dieser Intervention verglichen, konnten keine zusätzlichen Auswirkungen auf Symptomatik oder auf körperliche und psychosoziale Funktionalität gezeigt werden.

Gendron et al. 27074 konnten in ihrer Analyse zu Active Mind-Body Movement Therapies (AMBMT), welche Interventionen wie beispielsweise Yoga, Tai Chi, Qigong und Pilates enthielten, keine einheitlichen Aussagen bezüglich der Wirkung auf die krankheitsspezifische Lebensqualität treffen. Wenn AMBMT mit anderen rehabilitativen Maßnahmen (insbesondere mit unstrukturiertem Lauftraining) verglichen wurde, konnte eine Verbesserung der Lebensqualität aufgezeigt werden (SGRQ: MD -5,83 (95% KI -8,75; -2,92); I² = 0,0%, 3 RCTs, n = 249, Evidenzqualität niedrig). Wurde AMBMT jedoch zusammen mit einer anderen Intervention (auch hier insbesondere unstrukturiertes Lauftraining) gegen dieselbe verglichen, so konnte keine signifikante Auswirkung gefunden werden (SGRQ: MD -2,57 (95% KI -7,76; 2,62); 1 RCT, n = 192, Evidenzqualität moderat).

In einer systematischen Recherche zur Ganzkörpervibration bei Patient*innen mit COPD wurden 2 systematische Übersichtsarbeiten 29051, 29046 identifiziert. Diese deuten darauf hin, dass eine Therapie mittels Ganzkörpervibration möglicherweise eine Verbesserung von Leistungsfähigkeit oder Mobilität erzielen kann. Aufgrund der hohen Heterogenität der jeweils eingeschlossenen Studien konnten die Ergebnisse jedoch nicht gepoolt werden 29051 bzw. sind die gepoolten Ergebnisse nicht aussagekräftig 29046. Daher erscheint die Ganzkörpervibration derzeit eher als zusätzliche Option im Rahmen eines Gesamtkonzeptes.

Mögliche Effekte eines Atemmuskeltrainings (RMT; inspiratorisch und expiratorisch) im Rahmen der pneumologischen Rehabilitation im Vergleich zu einer isolierten Anwendung von RMT wurden ebenfalls systematisch recherchiert. Diese spezielle Fragestellung konnte mit der Recherche nicht abschließend beantwortet werden. Es wurden jedoch übergreifend 3 systematische Übersichtsarbeiten 29026, 29022, 29019 identifiziert, die darauf hindeuten, dass Atemmuskeltraining als allgemein unterstützende Maßnahme mögliche Therapieeffekte für bestimmte Patientengruppen erzielen kann. Es ergaben sich Hinweise, dass Patient*innen mit fortgeschrittener inspiratorischer Muskelschwäche besser auf Inspirationsmuskeltraining anzusprechen scheinen (summary effect size (SES) 0,51 (95% KI 0,10; 0,91); 3 RCTs, p < 0,05 vs. 4 RCTs mit Patient*innen ohne inspiratorische Muskelschwäche: SES 0,05 (95% KI -0,37; 0,47; p = 0,82)) 29026. Auch wurden Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Verbesserungen – beispielsweise der Trainingskapazität – bei einem isolierten IMT ohne zusätzliches allgemeines Training erzielt werden können (IMT Monointervention: SES 0,27 (95% KI 0,07; 0,46); p < 0,01 vs. IMT und Training: SES 0,29 (95% KI -0,004; 0,58); 7 RCTs; p = 0,05) 29026. Inspirationsmuskeltraining kann daher auch eine Therapieoption sein, wenn ein allgemeines körperliches Training oder eine Rehabilitation nicht möglich ist. Limitierend zu beachten ist, dass sich aus den Subgruppenanalysen nicht die jeweils eingeschlossenen Teilnehmer*innenzahlen ableiten lassen und somit die Aussagekraft der Ergebnisse in diesem Punkt nicht weiter zu beurteilen ist. Zudem wird der Erfolg der Intervention an der Signifikanz des p-Wertes festgemacht. Teilweise konnte eine signifikante Verbesserung im Fixed-Effects-Modell nachgewiesen werden, im besser geeigneten Random-Effects-Modell (wegen vorhandener Studienheterogenität) jedoch nicht.

 Kapitel Überlegungen bei der Auswahl geeigneter Trainingsarten

Für manche Patient*innen mit COPD ist ein Ganzkörpertraining (z. B. Tanzen oder Gymnastik) nicht geeignet, hier kann dann ein Einzelmuskeltraining (z. B. Krafttraining an Sequenzgeräten oder Krafttrainingsgeräten) und/oder ein Atemmuskeltraining als Therapieunterstützung in Frage kommen. Dies ist nach Einschätzung der Leitliniengruppe günstiger, als in solchen Fällen komplett auf Bewegungsmaßnahmen zu verzichten.

Mögliche ergänzende Trainingsmaßnahmen als zusätzliche Optionen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes sind beispielsweise die Ganzkörpervibration, neuromuskuläre Elektrostimulation, Atemmuskeltraining und Active Mind-Body Movement Therapien wie Yoga und Pilates.

Die Leitliniengruppe möchte – nach ausführlichen Diskussionen der identifizierten Evidenzen – keine der möglichen Trainingsformen für Patient*innen mit COPD vorrangig empfehlen. Die Auswahl richtet sich neben den motorischen und mentalen Voraussetzungen der Patient*innen auch nach deren Neigungen und Lebensumständen.

Im Sinne einer bestmöglichen Adhärenz wählen der Arzt oder die Ärztin und die Patientin oder der Patient – idealerweise gemeinsam – eine geeignete Trainings- bzw. Bewegungsform aus, die den individuellen Voraussetzungen des oder der Erkrankten bestmöglich entspricht. Aber auch die Verfügbarkeit bestimmter Gerätschaften oder Sportangebote beeinflussen ein geeignetes Bewegungs- und Trainingskonzept. Gleichwohl sind nach Einschätzung der Leitliniengruppe nicht alle Sportarten gleichermaßen geeignet, einige weisen ein gewisses Schadenspotential bei bestimmten Patient*innen auf. Beispielsweise können hier genannt werden:

  • Team-Sportarten wie Fußball oder Tennis. Aufgrund ihrer hohen Laufintensität kann es insbesondere bei untrainierten Anfängern schnell zu Überlastungen und Atemnot kommen.
  • Höhensportarten wie Bergwandern. Je höher die Lage, desto niedriger wird der Sauerstoffpartialdruck der Luft. Dies kann unter Umständen bei Menschen mit bereits eingeschränkter Lungenfunktion zu einer Verschlechterung der Symptomatik führen.

4.1.3 Häusliche Trainingstherapie

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-5

Patient*innen mit COPD, welche ein körperliches Training aktuell nicht außerhalb ihrer Wohnung wahrnehmen können, soll eine individuell angepasste, supervidierte und motivierende häusliche Trainingstherapie angeboten werden, mit der Zielsetzung der möglichst eigenständigen Weiterführung.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Die Evidenzqualität wird als sehr gering eingeschätzt. Prinzipiell scheint auf Basis aller Daten zum körperlichen Training ein angeleitetes Training wirksamer als ein nicht-angeleitetes Training und auch aus sozialen Gründen wünschenswert (Teilhabe). Zugleich scheint jede Art körperlicher Aktivität günstiger zu sein als keine. Auch wenn an dieser Stelle die Wirksamkeit nicht adäquat eingeschätzt werden kann, bietet die häusliche Trainingstherapie eine Möglichkeit, Aktivität bei Einschränkungen weiterhin zu ermöglichen. Die Leitliniengruppe sieht daher in dem Angebot einer häuslichen Trainingstherapie eine positive Alternative für Menschen mit COPD, die andere Trainingsangebote nicht mehr außerhalb ihrer Wohnung wahrnehmen können und spricht trotz schwacher Evidenz für diese spezielle Patientengruppe eine starke Empfehlung aus.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung beruht auf einer strukturierten Recherche nach aggregierter Evidenz und den klinischen Erfahrungen der Leitliniengruppe. Die vorhandenen Studien untersuchen die häusliche Trainingstherapie nicht in dem Rahmen, in dem die Leitliniengruppe ihren Stellenwert sieht, so dass sie für die Empfehlung nur sehr eingeschränkt herangezogen werden.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

In der strukturierten Recherche konnten zwei Cochrane-Reviews gefunden werden 2198, 26986. Es ergaben sich Anhaltspunkte, dass eine supervidierte Trainingstherapie bessere Resultate als eine nicht supervidierte Intervention erzielen kann 2198. Außerdem zeigten sich Hinweise, dass körperliches Training sowohl in der Gemeinschaft (community), als auch häuslich-basiert (home-based) im Vergleich zu einer üblichen medizinischen Versorgung (usual medical care) die Lebensqualität verbessern kann 2198. Es zeigten mehr Studienteilnehmer*innen eine Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens nach 3 Monaten gemeinschaftlichen Trainings (80%) und häuslichen Trainings (73%), als die Teilnehmer*innen der Kontrollgruppe (47%). Nach 18 Monaten näherten sich die Ergebnisse etwas an (62%/64%/50%), wobei sich zwischen den ersten beiden Interventionen nach diesem Zeitraum keine wesentlichen Unterschiede fanden (verbesserte Lebensqualität (General well-being): home-based vs. center-based: 8/13 vs. 9/14; OR 0,89 (95% KI 0,19; 4,24). Zu beachten hierbei ist auch, dass diese Aussage nur auf einer kleinen RCT mit wenigen Studienteilnehmern (n = 30 zu Studienbeginn; Verzerrungsrisiko (RoB): unklar) beruht. Zudem wurde ein direkter Vergleich zwischen Kontrollgruppe und häuslich basiertem Training nur deskriptiv (prozentual) dargestellt. 2198

 Informationen Vertiefende Informationen: Verordnung häuslicher Trainingstherapie

Beispielhafte Verordnung für eine häusliche Trainingstherapie

Einen möglichen Rahmen zur Erstellung und Durchführung eines supervidierten Trainingsprogramms im häuslichen Bereich bietet eine ärztlich verordnete Physiotherapie als Hausbesuch. Das Heilmittel "Krankengymnastik (KG)" dient u. a. der Kräftigung und Aktivierung geschwächter Muskulatur, der Information und Motivation sowie der Erstellung eines Eigenübungsprogramms 30341.

Die Indikation für die Verordnung ist die bei COPD oft auftretende krankheitsbedingte Funktionsstörung durch Muskelinsuffizienz und wird auf dem Rezept verschlüsselt (EXb). Als Therapieziel kann die Besserung der gestörten Muskelfunktion angegeben werden.

Die Ausgestaltung des Übungsprogramms richtet sich nach den ärztlichen Vorgaben in Bezug auf Belastbarkeit und Kontraindikationen und der aktuellen Belastbarkeit der Patient*innen. Das Trainingsprogramm wird in der Regel Kräftigungsübungen enthalten, bei denen auch Kleingeräte (Gewichtsmanschetten, Kurzhanteln, Therapiebänder) zum Einsatz kommen können. Auch funktionelle, alltagsbezogene Übungen wie z. B. angepasste Kniebeugen, Gehtraining oder Übungen an einer Treppenstufe gehören zu den wichtigen Programminhalten.

Über einen begrenzten Behandlungszeitraum werden die Patient*innen in die Lage versetzt, ein Übungsprogramm eigenständig durchzuführen bzw. zu steuern und – sofern gesundheitlich möglich – an Trainingsangeboten außerhalb des häuslichen Bereiches teilzunehmen.

4.2 Atemphysiotherapie

 Definition Definition

Atemphysiotherapie zielt auf die Erhaltung, Verbesserung und Wiederherstellung der Atemfunktion ab.

Bei der Bewertung der vorhandenen Literatur zu Atemphysiotherapie ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass für viele Einzelmaßnahmen keine standardisierten Empfehlungen zur Durchführung der einzelnen Interventionen existieren. Viele der in Deutschland angewendeten atemphysiotherapeutischen Interventionen sind in den "Empfehlungen zur Atemphysiotherapie" der Deutschen Atemwegsliga e. V. 30501 beschrieben.

Von der Atemphysiotherapie abzugrenzen ist der allgemeine Begriff Atemtherapie, unter der auch Maßnahmen zur Verbesserung der Stimmfunktion oder psychotherapeutische Verfahren subsumiert werden.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-6

Selbsthilfetechniken bei Atemnot sollen allen Patient*innen mit COPD im Rahmen von Schulungen, Lungensport, physiotherapeutischen oder rehabilitativen Interventionen vermittelt werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Die Evidenzqualität zu Selbsthilfetechniken bei Atemnot wird als sehr gering eingeschätzt. Es konnte kein direkter Vergleich für die Fragestellung identifiziert werden, d.h. die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf die Praxis ist schwer zu beurteilen. Zudem sind die Effekte eher gering. Aus Sicht der Leitliniengruppe haben Selbsthilfetechniken bei Atemnot dennoch einen besonderen Stellenwert, der eine starke Empfehlung rechtfertigt. Dies gilt insbesondere für das Selbstmanagement bei Notsituationen. Atemnot kann von Patient*innen mit COPD als sehr bedrohlich empfunden werden. Zudem ist häufig nicht sofort ärztliche Hilfe verfügbar, sodass die Patient*innen darauf angewiesen sind, zumindest vorübergehend auf eigene Kompetenzen des Notfallmanagements zurückzugreifen. Diese gelernt zu haben, kann erfahrungsgemäß die Sicherheit in Notfallsituationen stärken und Angst reduzieren. Gleichzeitig sieht die Leitliniengruppe keine Hinweise auf unerwünschte Folgen. Deshalb spricht sie eine starke Empfehlung aus und weist darauf hin, dass diese Techniken in unterschiedlichen Settings vermittelt werden können und sollen.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Diese Empfehlung basiert auf einer systematischen Recherche und den klinischen Erfahrungen der Leitliniengruppe.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

In der systematischen Recherche konnte zum Thema der dosierten Lippenbremse eine systematische Übersichtsarbeit 29584 identifiziert werden. Zwar konnte eine Reduktion der Atemfrequenz und des Atemminutenvolumens bei körperlicher Belastung gezeigt werden, die Effekte in Bezug auf körperliche Belastbarkeit (MD 6,14 (95% KI -35,03; 47,30); I² = 33%, 2 Studien; n = 78), reduzierte Atemnot (Visual Analogue Scale: MD -0,11 (95% KI -1,05; 0,83); I² = 0%, 2 Studien; n = 44; BORG dyspnea scale: MD -0,15 (95% KI -0,45; 0,15); I² = 0%, 5 Studien, n = 372); und dynamische Hyperinflation sind jedoch sehr gering bzw. fehlen. Zu beachten ist, dass die hier beschriebene systematische Übersichtsarbeit nicht die Effekte der dosierten Lippenbremse in der akuten Atemnotsituation beschreibt. Eine endpunktspezifische Einschätzung der Evidenzgüte nach GRADE wurde in dieser systematischen Übersichtsarbeit nicht durchgeführt.

Eine in der systematischen Recherche identifizierte prospektive randomisierte Studie 29546 untersucht die Effekte von positivem Ausatmungsdruck in der akuten Belastungssituation. Hier deutet sich eine möglicherweise schnellere Abnahme der Dyspnoe nach einer Belastungssituation an (Intervention: 2,8 ± 0,4 Minuten; Kontrollgruppe (Sham): 5,1 ± 0,6 Minuten) Zu beachten ist allerdings, dass der Ausatemwiderstand hier nicht mit der Lippenbremse, sondern mit einem PEP-Gerät erzeugt wurde. Außerdem ist die Studie mit einer sehr geringen Patientenzahl (n = 13) und in einem Crossover-Design durchgeführt worden und kann demensprechend nur als methodisch extrem schwache Evidenzgrundlage (Verzerrungsrisiko (RoB) 5x unklar/2x hoch) eingestuft werden.

 Informationen Vertiefende Informationen: Selbsthilfetechniken

Selbsthilfetechniken wie die dosierte Lippenbremse und atmungserleichternde Körperstellungen haben das Ziel Patient*innen mit COPD im Rahmen des Selbstmanagements dazu zu befähigen, akut auftretende Atemnot zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Diese Techniken und mögliche Wirkmechanismen sind in Tabelle 13 zusammengefasst.

Nicht alle Patient*innen mit COPD profitieren von der Anwendung der beschriebenen Selbsthilfetechniken (siehe Tabelle 13). Die Gründe hierfür sind unklar 29584. Mögliche Ursachen sind beispielhaft in Tabelle 14 aufgeführt.

Tabelle 13: Selbsthilfetechniken

Selbsthilfetechnik

Mögliche Wirkmechanismen

Dosierte Lippenbremse

Ein dosierter, durch die Lippen des/der Patient*in erzeugter Ausatemwiderstand hält durch intrabronchiale Druckerhöhung die obstruktiven Atemwege offen und trägt so zur Reduktion des endexspiratorischen Lungenvolumens (dynamische Lungenüberblähung) bei. Somit wird einem Funktionsverlust des Zwerchfells entgegengewirkt. Die Ausatemphase wird verlängert. Eine willkürlich vertiefte Inspiration vor der Exspiration mit Lippenbremse ist erfahrungsgemäß nicht hilfreich.

Ein effektiver Ausatemwiderstand kann auch durch ein Strohhalmstück mit z. B. einer Länge von 10 cm und einem Durchmesser von 0,5 cm erzeugt werden.

Atmungserleichternde Körperstellungen mit Oberkörpervorneige

Durch die Vorneige des Oberkörpers v. a. im Sitzen (Kutschersitz) wird eine Funktionsverbesserung des Zwerchfells erzielt. Das durch Lungenüberblähung in vermehrter Inspirationsstellung stehende Zwerchfell wird über die Erhöhung des intraabdominalen Druckes vermehrt in die Exspirationsstellung geschoben. Es bekommt somit ein verbessertes Längen-Spannungsverhältnis.

Atmungserleichternde Körperstellungen mit Abstützen der Arme

Das Abstützen der Arme auf den Knien (Kutschersitz auf dem Stuhl, Torwartstellung im Stand), den Armlehnen (Paschasitz), in der Taille oder an einer Wand führt zur Elevation und Fixation des Schultergürtels. Die oberen Rippen werden dadurch atmungserleichternd vom Schultergürtelgewicht entlastet. Durch die Schultergürtelelevation kommt es zur verbesserten Rekrutierung der Atemhilfsmuskulatur. Der Thorax wird in vermehrte Inspirationsstellung gebracht, so dass bei vergrößertem Bronchialdurchmesser die Strömungswiderstände sinken.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-7

Patient*innen mit COPD sollten atemphysiotherapeutische Interventionen angeboten werden, wenn

  • die Lebensqualität und die Aktivitäten des täglichen Lebens durch Atemnot eingeschränkt sind und
  • die Vermittlung allgemeiner Selbsthilfetechniken zur Symptomreduktion nicht ausreicht (siehe Tabelle 14).

Abgeschwächte Empfehlung

RationaleRationale

Die Evidenzqualität wird als sehr gering eingeschätzt. Insbesondere wegen fehlender Direktheit ist die Evidenz nur eingeschränkt für die Empfehlung nutzbar. Dennoch sieht die Leitliniengruppe auf Basis der vorhandenen Daten Anhaltspunkte, dass Atemphysiotherapie symptomlindernd wirken kann, insbesondere dann, wenn keine andere körperliche Aktivität durchgeführt werden kann. Handlungsbedarf besteht nach Einschätzung und klinischer Erfahrung der Leitliniengruppe, wenn trotz der Anwendung von Selbsthilfetechniken und körperlichem Training weiterhin atemnotbedingte Einschränkungen der Lebensqualität und Teilhabe bestehen. Sie geht davon aus, dass in dieser Situation Atemphysiotherapie für Patient*innen hilfreicher ist, als keine Intervention. Aufgrund der limitierten Evidenz spricht die Leitliniengruppe eine abgeschwächte Empfehlung für diese Patientengruppe aus.

 Tabelle Tabelle 14: Fallbeispiele für atemphysiotherapeutische Interventionen

Tabelle 14: Fallbeispiele für atemphysiotherapeutische Interventionen

Fallbeschreibung

Klinische Hinweise (beispielhafte Darstellung)

Atemphysiotherapeutische Interventionen

Der Patient oder die Patientin kann die allgemeinen Selbsthilfetechniken zur Minderung von Luftnot nicht effektiv einsetzen, da er oder sie Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung bzw. Kontrolle der eigenen Atmung hat.

  • Schwierigkeiten mit der Atemkontrolle z. B. bei
    • Lungenfunktionsmessung oder
    • Medikamenteninhalation
  • Schulung von
    • Atemwahrnehmung in Ruhe und bei körperlicher Aktivität
    • willkürlicher Atmungskontrolle in Ruhe und bei körperlicher Aktivität
  • Anleitung zur Anwendung von PEP-Geräten als koordinativ einfacher Alternative zur Lippenbremse

Dem Patienten oder der Patientin gelingt es nicht, seine oder ihre Bewegungs- und Verhaltensmuster an die Krankheitsschwere anzupassen, so dass v. a. bei fortgeschrittener Erkrankung trotz effektivem Einsatz der Selbsthilfetechniken Dyspnoe bei der Durchführung von Alltagsaktivitäten (ADL) auftritt.

 

  • ADL-Training zur Entlastung der Atmung, ggf. mit Einsatz von Hilfsmitteln wie Rollatoren, Anziehhilfen, Greifzangen usw.

Dem Patienten oder der Patientin mit ausgeprägter Instabilität der Atemwege gelingt es mit der dosierten Lippenbremse nicht, einen ausreichend starken exspiratorischen Widerstand zum Offenhalten der Atemwege zu erzeugen.

  • Belastungsdyspnoe,
  • produktiv ineffektiver Husten
  • Anleitung zur Anwendung von PEP-Geräten zur Erzeugung eines erhöhten PEP

Bei Patient*innen mit krankheitsbedingten Funktionsstörungen der Atempumpe trägt die zusätzlich erhöhte Atemarbeit u. U. maßgeblich zur Dyspnoe bei.

Beispiele:

  • gestörte Zwerchfellmechanik bei fortgeschrittener statischer Hyperinflation,
  • Bewegungseinschränkungen von Thorax und Schultergürtel,
  • mechanische Überlastung oder Schwäche der respiratorischen Muskulatur
  • verstärkte Nutzung der Atemhilfsmuskulatur
  • starke Protraktion des Schultergürtels,
  • Thorax in Inspirationsstellung,
  • geringe thorakale Atemexkursion auch bei großem Atemzugvolumen,
  • Hypertonus und Druckdolenz der Atemmuskulatur1,
  • deutlich verminderter Pimax,
  • ausgeprägtes Hoover-Zeichen,
  • intercostale u. jugulare Einziehungen
  • verstärkte Nutzung der Atemhilfsmuskulatur
  • Manuelle, thermische und Bewegungsreize zur
    • Funktionsverbesserung der Atemmuskulatur (u. a. Inspirationsmuskeltraining, detonisierende und hyperämisierende Maßnahmen)
    • Verbesserung der Schultergürtel- und Thoraxmobilität

Eine starke Sekretretention führt zu erhöhter Atemarbeit, frustranem Husten und trägt zur Entstehung von Dyspnoe bei.

 

Siehe Empfehlung 4-8

1  Erfahrungsgemäß häufig betroffen und leicht zu palpieren sind z. B. der M. trapezius, die autochtonen Rückenmuskeln, die Mm. pectorales, die Mm. scaleni und der M. sternocleidomastoideus. Der Hypertonus wird durch Druck im Bereich des Muskelbauches erfasst. Die Druckdolenzen finden sich in Muskelbauch oder -ansätzen.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung beruht auf einer systematischen Recherche und der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe. Die zugehörige Tabelle 14 basiert auf praktischen Erfahrungen und beschreibt beispielhaft einzelne markante Situationen, für welche diese Empfehlung ausgesprochen wurde.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Zur Frage der Wirksamkeit von Atemphysiotherapie liegen sehr heterogene Studien mit eingeschränkter Aussagekraft vor, unter anderem auch, weil Interventionen nicht immer an den Patient*innen untersucht wurden, die möglicherweise am meisten davon profitieren.

In der systematischen Recherche konnten 3 RCTs 29555, 29552, 29573 zu manuellen physiotherapeutischen Maßnahmen identifiziert werden.

Cross et al. 29573 untersuchten 526 Patient*innen mit akut exazerbierter COPD. Die Interventionsgruppe erhielt manuelle Atemphysiotherapie zusätzlich zu Informationen bezüglich der Anwendung von Atemtechniken und geeigneter Positionen zum Abhusten. Die Kontrollgruppe erhielt lediglich die Informationen. In dieser Studie konnte keine signifikante Verbesserung der Lebensqualität 6 Monate nach Randomisierung aufgezeigt werden, wenn im Rahmen einer akuten Exazerbation zusätzlich manuelle Therapietechniken angewandt wurden (Verzerrungsrisiko (RoB): 4x gering/1x hoch/2x unklar).

Engel et al. 29552 untersuchten in einer 3-armigen RCT die Anwendung von Weichteiltechniken der hinteren Thorax-Muskulatur mit oder ohne manipulative Spinaltherapie der Brustwirbel-, Costo-Vertebral- und Costo-Transversal-Gelenke zusätzlich zu pulmonalen Rehabilitationsmaßnahmen bei Patient*innen mit COPD (n = 33) im Vergleich zur Rehabilitation alleine. Auch hier konnten keine Verbesserung der Lebensqualität dargestellt, sowie keine signifikanten Unterschiede im 6MWT zwischen den Gruppen identifiziert werden (Verzerrungsrisiko (RoB): 4x gering/3x unklar).

Rocha et al. 29555 betrachteten die Anwendung der manuellen Diaphragma-Release-Technik bei 20 Patient*innen mit stabiler COPD im Vergleich zu einer Scheinbehandlung. Es zeigte sich neben einer verbesserten Beweglichkeit des Zwerchfells auch eine signifikante Verbesserung der 6-minütigen Gehstrecke (6 MWT) mit einem Unterschied zwischen den Gruppen von 22 m (95% KI 11; 32). Jedoch ist auch in dieser RCT limitierend die kleine Studiengröße zu beachten (Verzerrungsrisiko (RoB): 5x gering/2x unklar).

Im Rahmen der systematischen Recherche konnten 6 RCT 29574, 29576, 29566, 29564, 29558, 29551 bezüglich verschiedener Atemübungen identifiziert werden. Auch hier ergaben sich heterogene Effekte in den einzelnen Studien.

Van Gestel et al. 29576 untersuchten an Patient*innen mit stabiler COPD (n = 40, Verzerrungsrisiko (RoB): 3x gering/4x unklar) die Wirkung von Atemübungen (kontrolliertes Atmen mit einer Kombination aus Lippenbremse, Zwerchfellatmung und verlängerter Ausatmung) mit Biofeedback-Technik zusätzlich zu pulmonalen Rehabilitationsmaßnahmen. Hierbei zeigte sich im Vergleich zur Rehabilitation allein kein signifikanter Effekt bezüglich Lebensqualität oder Trainingskapazität.

Liu et al. 29564 prüften die Wirkung eines webbasierten häuslichen Atemprogramms bei Patient*innen mit stabiler COPD (n = 60). Dieses beinhaltete – neben Video-Instruktionen und animierten Diagrammen – Übungen zur Lippenbremse, langsamen und tiefem Ein- und Ausatmen sowie allgemeinem körperlichen Training. Die Vergleichsgruppe erhielt eine konventionelle Patientenschulung bei Entlassung aus dem Krankenhaus. Hier konnten in der Interventionsgruppe signifikante Verbesserungen nach 4 Monaten hinsichtlich Lebensqualität (SGRQ total Intervention: -18,6; p < 0,05) und Trainingskapazität (6MWD Intervention: + 74,6m, Kontrollgruppe: -5,8m; p < 0,05; Verzerrungsrisiko (RoB): 3x gering/4x unklar) aufgezeigt werden.

Borge et al. 29558 untersuchten den Einfluss von geführten Atemübungen mit vergrößertem Atemzugvolumen und reduzierter Atemfrequenz, und fanden Hinweise für einen möglichen positiven Effekt auf die Atemfrequenz nach vier Wochen bei Patient*innen mit moderater bis schwerer COPD (n = 49/150; Respiratory rate (RR) am Anfang der Session: Baseline 16 (SD 5,1); nach 4 Wochen: 13,4 (5,6); RR am Ende der Übung: Baseline: 11,8 (5,1); RR nach 4 Wochen: 9 (5); p < 0,001; Verzerrungsrisiko (RoB): 5x gering/1x hoch/1x unklar).

Ein weiterer RCT 29566 betrachtete 46 hospitalisierte Patient*innen mit akut exazerbierter COPD und verglich die alleinige medikamentöse Therapie mit dem Einsatz eines zusätzlichen Atemprogramms, bestehend aus Entspannungsübungen, Lippenbremse und aktivem Ausatmen. In der Interventionsgruppe zeigten sich Hinweise auf eine verbesserte Mobilität (Differenz Intervention/Kontrollgruppe Baseline vs. Entlassung EuroQol-5D mobility: 0,881 ± 0,789 (95% KI -0,738; 0,168)), sowie reduzierte Angst- und Depressionswerte (Differenz Intervention/Kontrollgruppe Baseline vs. Entlassung Hospital Anxiety and Depression Scale: Angst 6,314 ± 0,712 (95% KI -18,36; 2,014); Depression 10,56 ± 0,465 (95% KI -9,79; 1,05)). Auch hinsichtlich einer Atemnot wurde hier eine Besserung (Differenz Intervention/Kontrollgruppe Baseline vs. Entlassung mMRC: 2,917 ± 3,21 (95% KI -1,228; 0,280); Verzerrungsrisiko (RoB): 3x gering/4x unklar) beobachtet.

Auch Torres-Sanchez 29551 eruierten die Wirkung eines Programms für 90 hospitalisierte Patient*innen mit akut exazerbierter COPD. Dieses beinhaltete Entspannungsübungen, Lippenbremse und aktives Ausatmen sowie Übungen zur Verbesserung des Bewegungsumfanges und medikamentöse Therapie. Eine zweite Interventionsgruppe erhielt neben der medikamentösen Behandlung ein Krafttraining; die Kontrollgruppe wurde lediglich medikamentös therapiert. Die erste Interventionsgruppe konnte im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikante Veränderungen in den Subskalen des EuroQol-5D unter anderem hinsichtlich Mobilität (MD 0,67 (95% KI 0,40; 0,93) vs. MD Kontrollgruppe 0,28 (95% KI 0,10; 0,47)) und alltäglicher Aktivitäten (MD 0,53 (95% KI 0,06; 1,01) vs. MD Kontrollgruppe 0,28 (95% KI 0,05; 0,51)) erreichen. Auch die Krafttrainings-Gruppe konnte in fast allen Bereichen des Testes (Ausnahme Schmerzskala) signifikante Verbesserungen erzielen. Sowohl die Atemnot (Borg-Skala: MD Krafttraining 4,09 (95% KI 2,50; 5,68); MD Atemintervention 2,09 (95% KI 0,63; 3,55); MD Kontrollgruppe 2,73 (95% KI 1,99; 3,47), als auch die Einschätzung von Angst und Depression verbesserte sich in höherem Maße in der Krafttrainings-Gruppe, es konnten jedoch auch Verbesserungen in den anderen beiden Gruppen aufgezeigt werden (EuroQol-5D: MD 1,65 (95% KI 1,04; 1,75) vs. MD 0,04 (95% KI 0,06; 0,32) vs. MD 0,04 (95% KI 0,06; 0,32); Verzerrungsrisiko (RoB): 3x gering/1x hoch/3x unklar).

Die Wirkung der betonten Zwerchfellatmung wurde in dem RCT von Yamaguti et al. 29574 bei Patient*innen mit COPD (n = 30, Verzerrungsrisiko (RoB): 4x gering/3x unklar) untersucht. Hier ergaben sich Hinweise auf eine verbesserte Trainingskapazität und Lebensqualität.

Limitierend für diese Studien ist zu beachten, dass zumeist keine Langzeitwirkungen untersucht wurden (Ausnahme 29564), zum Teil geringere Patientenzahlen betrachtet wurden und die Maßnahmen sowie die Vergleichsinterventionen komplex waren.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-8

Patient*innen mit Sekretretention sollte Atemphysiotherapie zur Sekretmobilisation angeboten werden.

Abgeschwächte Empfehlung

RationaleRationale

Die Evidenzqualität wird als gering eingeschätzt. Andererseits liefern die Daten Hinweise, dass bei konkreter Symptomatik (Sekretretention) gezielte Interventionen hilfreich sein können. Daher erachtet die Leitliniengruppe eine gezielte Atemphysiotherapie als einen zusätzlichen Baustein der symptomorientierten Behandlung. Da bei Patient*innen mit COPD mit gestörtem Sekrettransport, insuffizienter Hustenclearence oder starker Hyper- bzw. Dyskrinie, welche mit der physiologischen Hustenclearence das Sekret nicht ausreichend eliminieren können, der akute oder chronische Husten mit einer geringeren Lebensqualität, schlechteren Lungenfunktionswerten und häufigeren Exazerbationen assoziiert ist 30156, besteht für diese Patientengruppe die Indikation zur sekretfördernden Atemphysiotherapie. Die abgeschwächte Empfehlung ergibt sich aus der geringen Belastbarkeit der Evidenz.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung beruht auf einer systematischen Recherche sowie der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Es konnte ein Cochrane-Review 26987 gefunden werden, welcher die Wirkung sekretmobilisierender Techniken untersuchte. Jeweils einzelne Studien gaben Hinweise für einen positiven Effekt dieser Techniken bei Patient*innen mit stabiler COPD. Eine PEP-basierte (positive expiratory pressure) Studie mit 50 Teilnehmer*innen ergab eine Verminderung von atemwegsbedingten Krankenhauseinweisungen (5/25 vs. 12/25; OR 0,27 (95% KI 0,08; 0,95), 1 RCT, n = 50, Verzerrungsrisiko (RoB): 1x gering/4x hoch/2x unklar), wenn das PEP Gerät zusätzlich zu einer medikamentösen Therapie im Vergleich zu dieser allein genutzt wurde. Eine andere ebenfalls PEP-basierte Studie deutet eine Verbesserung der Lebensqualität nach einer Woche im Vergleich zu einer Scheinintervention an (SGRQ: MD -6,10 (95% KI -8,93; -3,27); n = 15, Verzerrungsrisiko (RoB): 3x gering/2x hoch/2x unklar). Zu beachten ist hierbei, dass die in diesem Review berücksichtigten Studien die gefundenen Effekte jedoch nicht in Beziehung zu Sekretmenge oder Sekretbeschaffenheit gesetzt haben.

Weitere 4 RCTs 29572, 29565, 29562, 29550 zu PEP-basierten Anwendungen fanden ebenfalls Hinweise für einen möglichen Nutzen der Anwendung, jedoch wurde auch in diesen Studien kaum oder kein Bezug zu Sekretmenge oder -beschaffenheit hergestellt.

In einer Übersichtsarbeit zur intrapulmonalen perkussiven Ventilation (intrapulmonary percussive ventilation; IPV) 29903 (6 Studien betrachteten Patient*innen mit COPD, n = 178) konnte keine ausreichend starke Evidenz für die Empfehlung einer routinemäßigen Anwendung von IPV identifiziert werden. Reychler et al. fanden jedoch Hinweise für einen möglichen Nutzen bei Patient*innen mit COPD während einer Exazerbation (verbesserter Gasaustausch und verkürzte Dauer des Krankenhausaufenthaltes).

In einer randomisiert kontrollierten Studie 29568 untersuchten Goktalay et al. die Anwendung von hochfrequenten Brustwand-Oszillationen bei Patient*innen mit schwerer COPD und akuter Exazerbation (n = 50, Verzerrungsrisiko (RoB): 2x gering/5x unklar)). Es zeigten sich keine signifikanten Vorteile im Vergleich zur Kontrollgruppe, welche nur nach einem üblichen Exazerbationsprotokoll behandelt wurden.

Nicolini et al. 29547 eruierten die Wirkung von hochfrequenter Brustwand-Oszillation (n = 20) oder intrapulmonaler perkussiver Ventilation (n = 20) im Vergleich zu alleiniger pharmakologischer Therapie (n = 20) bei Patient*innen mit COPD sowie bronchialer Hypersekretion und effektivem Husten. Hier konnten für beide Interventionen Verbesserungen hinsichtlich Dyspnoe, Alltagsaktivitäten und des allgemeinen Gesundheitszustandes festgestellt werden. Die Anwendung von IPV konnte zudem eine mögliche Stärkung der Atemmuskulatur aufzeigen (Verzerrungsrisiko (RoB): 4x gering/3x unklar).

 Informationen Vertiefende Informationen: Airway Clearance

Atemphysiotherapeutische Interventionen zur Unterstützung der bronchialen Reinigung (eng. Airway Clearance Techniques, ACT) sind Teil des interdisziplinären Sekretmanagements. Folgende Ziele werden verfolgt:

  1. Belüftung dys- bzw. atelektatischer Lungenabschnitte distal des Sekretes. Die kollaterale Ventilation wird gefördert und die peripheren Atemwege werden geöffnet und offengehalten. Zum Einsatz kommen langsame, tiefe Inspirationen mit postinspiratorischer Pause, PEP-Atmung und intermittierende Überdruckbeatmung (IPPB). Durch Hochlagern der betroffenen Lungenabschnitte werden diese schwerkraftbedingt gedehnt. Auch durch Rumpfbewegungen bzw. -stellungen mit Rotation und Seitneige kann die Lungendehnung gezielt verstärkt werden.
  2. Herabsetzung der Viskosität des Bronchialsekretes in den peripheren Atemwegen durch starke Bronchialkaliberschwankungen und Oszillationen. Maßnahmen sind Atemübungen mit großem Atemzugvolumen, die Anwendung von oszillierenden PEP-Geräten (OPEP), die manuelle oder gerätegestützte Applikation von Oszillationen auf der Brustwand (High Frequency Chest Wall Oscillations, HFCWO) und die Intrapulmonale Perkussive Ventilation (IPV). Zur Hydrierung des Bronchialsekretes wird die Feuchtinhalation mit isotoner Kochsalzlösung eingesetzt.
  3. Zur Unterstützung des Sekrettransports wird das sog. Druckprinzip angewendet. Exspirationen bis zum Residualvolumen in angepasstem Fluss führen zur dosierten Kompression der Bronchien. Sobald das Sekret das Bronchiallumen verschließt, wird es durch die distal lokalisierte Luft in Richtung der zentralen Bronchien gedrückt. Die Kompression der Bronchien kann durch Tieflagerung des betroffenen Lungenflügels und Rumpfrotation bzw. -lateralflexion begünstigt werden.
  4. Durch Nutzung des sog. Flussprinzips (Sekrettransport in den zentralen Atemwegen durch hohen Fluss) wird das Sekret in den zentralen Atemwegen weiter Richtung Larynx transportiert und schließlich eliminiert. Zum Einsatz kommen – je nach Stabilität der zentralen Atemwege – forcierte Exspirationen mit offener Glottis (Huffing, Forced Expiration Technique = FET, kontrolliertes Husten) oder angepasstem Ausatmungswiderstand.

Manuelle Thoraxkompressionen kommen unterstützend zum Einsatz, wenn für die Elimination des Sekretes vom Patienten bzw. von der Patientin keine ausreichende Flussgeschwindigkeit erzeugt werden kann.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-9

Atemphysiotherapie kann zur Erhöhung der Belastbarkeit im Rahmen eines physiotherapeutischen Gesamtkonzeptes verordnet werden, wenn ein körperliches Training nicht in ausreichendem Umfang möglich ist.

Offene Empfehlung

RationaleRationale

Die Evidenzqualität wird als gering bis moderat eingeschätzt. Die Leitliniengruppe sieht die Atemphysiotherapie als eine mögliche Therapieoption für die Patient*innen an, für die jegliche Art körperlichen Trainings nicht mehr ausreichend möglich ist (siehe auch Empfehlung 4-5 zur häuslichen Trainingstherapie). Da unklar ist, ob in diesen Fällen eine häusliche Trainingstherapie einer alleinigen Atemphysiotherapie überlegen ist, spricht die Leitliniengruppe eine offene Kann-Empfehlung aus. Wenn körperliches Training möglich ist, soll dies nicht zu Gunsten einer alleinigen Atemphysiotherapie ersetzt werden.

Das physiotherapeutische Gesamtkonzept beinhaltet die Möglichkeit, beispielsweise auch Inspirationsmuskeltraining oder Neuromuskuläre Elektrostimulation anzuwenden (siehe Kapitel 4.1.2 Unterschiedliche Trainingsinterventionen).

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung beruht auf einer systematischen Recherche und der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Der Cochrane-Review von Holland et al. 27013 untersuchte die Wirksamkeit verschiedener Atemphysiotherapietechniken bei Patient*innen mit COPD. Er schlussfolgerte, dass Atemübungen über einen Zeitraum von 4 bis 15 Wochen die körperliche Leistungsfähigkeit von Patient*innen mit COPD im Vergleich zu keiner Intervention verbessern können. Insbesondere für Patient*innen, welche kein körperliches Training absolvieren können, erschienen Atemübungen möglicherweise als nützlich. Yoga-Atmung, Lippenbremse und Zwerchfellatmung konnten Verbesserungen im 6MWD von durchschnittlich 35-50 Metern zeigen (Veränderung im 6MWD: Yoga vs. keine Atemübungen: 44,5m (95% KI 28,5; 60,6); I² = 61%, 2 RCTs, n = 74; Evidenzqualität moderat; Zwerchfellatmung vs. keine Atemübungen: 34,7m (95% KI 4,1; 65,3); 1 RCT, n = 30; Evidenzqualität moderat; Lippenbremse vs. keine Atemübungen: 10,1m (95% KI 37,2; 63,0); 1 RCT, n = 30; Evidenzqualität niedrig). Auch zeigten sich Hinweise auf Verbesserungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Yoga vs. keine Atemübungen: SGRQ -5,30 Einheiten (95% KI -7,82; -2,78); 1 RCT, n = 45; Evidenzqualität moderat; Zwerchfellatmung vs. keine Atemübungen: SGRQ -10,51 Einheiten (95% KI -17,77; -3,25); 1 RCT, n = 30; Evidenzqualität moderat; Lippenbremse vs. keine Atemübungen: Dyspnoe-Domäne der Hiratsuka-Skala -12,94 Einheiten (95% KI -22,29; -3,60); I² = 41%, 2 RCTs, n = 60; Evidenzqualität niedrig). Die Effekte auf eine Dyspnoe stellten sich variabel dar.

4.3 Patientenschulung und Selbstmanagement

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-10

Allen Patient*innen mit COPD soll ein strukturiertes, evaluiertes und zielgruppenspezifisches Schulungsprogramm empfohlen und vermittelt werden. Die Behandelnden sollen regelhaft zur Teilnahme motivieren.

Starke Empfehlung

4-11

Nachschulungen sollen bei Bedarf angeboten werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Die Leitliniengruppe schätzt die systematisch recherchierte, aus dem deutschen Versorgungskontext stammende Evidenz als ausreichend sicher ein, um eine starke Empfehlung auszusprechen, weil bei unterschiedlich komplexen Schulungsinterventionen in beiden Studien relevante Endpunkte verbessert werden konnten. Zudem sind strukturierte, evaluierte und zielgruppenspezifische Schulungsprogramme flächendeckend in Deutschland verfügbar. Andererseits sieht die Leitliniengruppe ein relevantes Versorgungsproblem: Aus dem Qualitätsbericht des DMP Nordrhein aus dem Jahre 2017 29714 geht hervor, dass von den bis zum Jahr 2017 im DMP verbliebenen Patient*innen mit COPD ca. 41% als geschult gelten; 37% der zu diesem Zeitpunkt dokumentierten Patient*innen wurde im Verlauf des DMP eine Schulung empfohlen, 46% davon haben diese innerhalb eines Jahres danach wahrgenommen 29714. Da Schulungen prinzipiell als wirksam eingeschätzt werden und gleichzeitig die Gefahr besteht, dass bestimmte Inhalte wieder vergessen werden, spricht die Leitliniengruppe konsensbasiert eine starke Empfehlung aus.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung 4-10 beruht auf einer systematischen Recherche; Empfehlung 4-11 auf einem Expert*innenkonsens sowie den Ausführungen der NVL Asthma zum Thema (www.leitlinien.de/asthma) 30515, 30114.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

In der systematischen Recherche konnten zwei RCTs identifiziert werden 29237, 29238, welche die Wirksamkeit von Patientenschulungen bei COPD im deutschen Kontext betrachten. Diese werden einzeln narrativ beschrieben, da unterschiedlich komplexe Interventionen untersucht wurden.

Wittmann et al. 29237 untersuchten in einer prospektiv randomisierten Studie (n = 212 Teilnehmer*innen) nach dem Bad Reichenhaller Modell, inwieweit sich eine Schulungsmaßnahme à 5 Doppelstunden inklusive Aushändigen eines Aktionsplans zusätzlich zu einer multidisziplinären stationären Rehabilitation auf (sozial-)medizinische Parameter und Lebensqualität auswirken. Ein Jahr nach der Intervention konnte via Fragebogen (mit einer Rücklaufquote von 98%) gezeigt werden, dass in der Schulungsgruppe (n = 94) die Zahl der Intensivbehandlungstage (von 11,8 Tage auf 2,2 Tage; p = 0,02), die Inanspruchnahme ärztlicher Notdienste (18,3% auf 5,5%, p = 0,01), sowie die Zahl der Notfalleinweisungen (19,6% auf 8,7%, p = 0,03) reduziert werden konnten. Zusätzlich konnte in der Schulungsgruppe eine relevante Besserung der Lebensqualität erreicht werden (OR 2,5 (95% KI 1,07; 5,84); p = 0,03; Verzerrungsrisiko (RoB): 3x gering/3x unklar/1x nicht anwendbar).

Bosch et al. 29238 verglichen in einem prospektiven RCT (n = 50) ein ambulantes, strukturiertes, zielgruppenspezifisches Patientenschulungsprogramm (ATEM; insgesamt 4 Termine à 120 Minuten) mit einer Standardtherapie, welche eine spätere Möglichkeit zur Schulung bereitstellte. In der Interventionsgruppe zeigte sich nach 12 Monaten unter anderem ein statistisch signifikanter Abfall des BODE-Index mit einer Verbesserung von 16,7% (von 3,0 ± 2,0 auf: 2,5 ± 1,6; p = 0,047), sowie eine signifikante Verbesserung des 6MWD von 7,4% (von 406m ± 92m auf 436m ± 94m; p = 0,001). Aus einer Befragung, welche zu Beginn und nach 12 Monaten (Studienzeitraum) durchgeführt wurde, ergab sich für die Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe u. a. auch eine Reduzierung der COPD-bedingten Krankenhausbehandlungen in den letzten 12 Monaten (von 1,1 ± 1,0 auf 0,3 ± 0,6; p < 0,0001, Verzerrungsrisiko (RoB): 1x hoch/5x unklar/1x nicht anwendbar). Zu beachten ist in dieser Studie die geringere Teilnehmerzahl, wobei insbesondere auch ein Ungleichgewicht in der Gruppenzuteilung zu erkennen war (Interventionsgruppe: n = 38; Kontrollgruppe n = 12 zu Studienbeginn).

 Informationen Vertiefende Informationen: Nachschulungen und Programme

Nachschulungen werden im Bedarfsfall empfohlen, beispielsweise wenn der klinische Verlauf und/oder das ärztliche Gespräch Hinweise erbringen, dass erneut Wissens- und/oder Selbstmanagementdefizite vorliegen. Dies können Fehler bzgl. der Medikation, bei der Durchführung der inhalativen Therapie oder auch beim Management von Atemnotzuständen sein. Durch regelmäßige Erhebung des Bedarfs kann der betreuende Arzt oder die betreuende Ärztin dann gemeinsam mit den Patient*innen entscheiden, wann eine komplette Schulung bzw. Teile wiederholt werden und in welchem Setting diese stattfinden (individuell oder in der Gruppe).

Auch COBRA (Chronisch obstruktive Bronchitis mit und ohne Emphysem) ist eines der ambulanten Schulungsprogramme für Patient*innen mit COPD und zählt zu den evaluierten und strukturierten Maßnahmen in diesem Kontext 1679. Wichtige Inhalte sind u. a. die Selbstkontrolle der Erkrankung sowie das Erlernen geeigneter Selbsthilfemaßnahmen. Die Schulung wird in 6x60 Minuten durchgeführt und kann in der Praxis durch ein qualifiziertes Team aus einem Arzt/einer Ärztin und einem/r Mitarbeiter*in vermittelt werden. Voraussetzung für die Durchführung ist das erfolgreiche Absolvieren eines zertifizierten Trainer-Seminares.

 Hinweis Hinweis: Abgrenzung zur Instruktion

Von der Schulung abzugrenzen ist die bloße Instruktion. Diese verfolgt das Ziel der Einweisung in die Inhalationstechnik und in das aktuell verordnete Inhalationssystem. Die Instruktion ersetzt die Schulung nicht. Anforderungen an die Instruktion finden sich in Kapitel 5.3 Inhalationssysteme.

 Patientenblatt Patienteninformation

Zur Unterstützung der Aufklärung und Beratung der Patient*innen wurde das Patientenblatt "Soll ich an einer Schulung teilnehmen?" (siehe Patientenblätter) entwickelt.

4.4 Ernährung

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-12

Krankheitsbedingt untergewichtigen1 Patient*innen mit COPD soll eine ausgewogene hochkalorische Nahrungsergänzung zur Erhöhung des Körpergewichtes empfohlen werden.

Starke Empfehlung

4-13

Untergewichtigen oder adipösen Patient*innen mit COPD soll eine Ernährungsberatung angeboten werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Die Evidenzqualität zugunsten einer Nahrungsergänzung wird als moderat eingeschätzt, so dass sie prinzipiell den Vorteil von gewichtsfördernden Maßnahmen bei krankheitsbedingt untergewichtigen Menschen mit COPD nahelegt. Gleichwohl empfiehlt die Leitliniengruppe ausdrücklich nicht die in einigen Studien untersuchte Gabe von Steroiden oder Wachstumshormonen, sondern spricht sich für eine hochkalorische Nahrungsergänzung aus, um Gewichtszunahme zu fördern. Angesichts des deutlichen Zusammenhangs zwischen Prognose und Untergewicht sowie dem prinzipiellen Benefit der Gewichtsförderung spricht die Leitliniengruppe eine starke Empfehlung aus.

In einer systematischen Recherche zum Gewichtsmanagement konnte keine Evidenz für Patient*innen mit COPD und Übergewicht gefunden werden. Basierend auf der Erfahrung der Leitliniengruppe ist jedoch von einer potentiellen Prognoseverbesserung und Besserung der Symptomatik, insbesondere Dyspnoe, auszugehen, welche erreicht werden kann, wenn Patient*innen mit COPD und einem sehr hohen Ausgangsgewicht abnehmen. Die Leitliniengruppe geht davon aus, dass stark über- und untergewichtige Patient*innen mit COPD von einer Ernährungsberatung profitieren, um danach zu prüfen, welche Lebensstilmaßnahmen in ihrem individuellen Fall geeignet sein können. Deshalb spricht sie eine starke Empfehlung aus.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung 4-12 beruht auf einer systematischen Recherche. Auf Basis der Erfahrung der Leitliniengruppe und vor dem Hintergrund fehlender Evidenz wird die Empfehlung 4-13 als Expert*innenkonsens formuliert.

 Definition 1 Erläuterung: "krankheitsbedingt untergewichtig"

Laut den Kriterien der Global Leadership Initiative on Malnutrition (GLIM) 2019 ist eine ungewollte Abnahme des Körpergewichts um > 5% in den letzten 6 Monaten oder um > 10% in > 6 Monaten als Gewichtsverlust zu werten. Die Definitionen für eine krankhaft bedingte Gewichtsabnahme werden in einer selektiv eingebrachten Studie 30142 für Patient*innen mit COPD differenzierter dargestellt: Die hier formulierte Konsensusdefinition 2008 für Kachexie beinhaltete einen Gewichtsverlust von > 5% in 12 Monaten oder einen niedrigen BMI (< 20 kg/m2) zusätzlich zu drei von fünf der Kriterien: verringerte Muskelkraft, Müdigkeit, Magersucht, niedrige FFMI (fat-free-mass-index) und erhöhte Entzündungswerte. Da diese Definition jedoch vermutlich nicht immer in allen Punkten während einer ärztlichen Routine-Konsultation abgeklärt werden kann, schlagen McDonalds et al. eine vereinfachte Definition vor: Ein Gewichtsverlust > 5% oder Gewichtsverlust > 2% (bei bereits niedrigem BMI) in 12 Monaten. Bei Patient*innen mit COPD, bei welchen sowohl mit der vereinfachten, als auch mit der beschriebenen Konsensusdefinition eine Kachexie diagnostiziert wurde, konnte so unabhängig von BMI oder Lungenfunktion eine dreifach erhöhte Mortalität festgestellt werden.

Diese Resultate unterstreichen die Einschätzung der Leitliniengruppe, dass bei krankheitsbedingt untergewichtigen Patient*innen mit COPD nicht alleinig der BMI-Wert herangezogen werden sollte. Ein bereits vor Beginn der Erkrankung bzw. Diagnosestellung bestehender niedriger BMI ist keine Indikation für eine Nahrungssupplementierung.

Bei ungewolltem Gewichtsverlust ist eine differentialdiagnostische Abklärung erforderlich.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Die Empfehlung 4-12 basiert auf einem in der systematischen Recherche identifizierten Cochrane-Review 27046, welcher eine Wirksamkeit für verschiedene Nahrungsergänzungen bei untergewichtigen Patient*innen mit COPD untersuchte. Hier zeigten die gepoolten Daten aus 11 RCTs mit insgesamt 325 unterernährten Patient*innen eine statistisch signifikante Gewichtszunahme (MD 1,65 kg (95% KI 0,14; 3,16); I² = 17%, 11 RCTs, n = 325; Evidenzqualität moderat) zugunsten der Nahrungsergänzung. Wurden RCTs gepoolt, welche sowohl normalgewichtige, als auch untergewichtige Patient*innen mit COPD untersuchten, so konnte jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen identifiziert werden (MD -1,28 kg (95% KI -6,27; 3,72); I² = 56%, 3 RCTs, n = 116; keine Evidenzqualität nach GRADE berichtet). Das Verzerrungsrisiko dieser drei gepoolten Studien (RoB) wurde in der systematischen Übersichtsarbeit als überwiegend niedrig eingestuft.

 Hinweis Hinweis aus der Praxis

Erfahrungsgemäß kann man den Patient*innen zur Gewichtsförderung zusätzlich auch den Einsatz mehrerer kleiner Mahlzeiten am Tage sowie das Aufnehmen von fester Nahrung vor dem Trinken vorschlagen.

4.5 Ergotherapie und Hilfsmittelberatung

 Hintergrund Stellenwert und Hintergrund

Ergotherapie ist fester Bestandteil der strukturierten pneumologischen Rehabilitation. 30370

Ziel ist es, Patient*innen mit COPD bei der Durchführung für sie bedeutungsvoller Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken und ihnen somit Handlungsfähigkeit im Alltag, gesellschaftliche Teilhabe und eine Verbesserung der Lebensqualität zu ermöglichen. 30369 Alle ergotherapeutischen Maßnahmen sind hierfür individuell angepasst, lebenswelt- und ressourcenorientiert und zielen auf Betätigung ab. Die Inhalte ergotherapeutischer Interventionen können dabei sowohl auf Körperfunktionen, Aktivitäten und Teilhabe und/oder die Kontextfaktoren 17295 gerichtet sein.

Ergotherapie im Rahmen der Rehabilitation von Menschen mit COPD kann z. B. folgende (beispielhafte) Inhalte haben:

  • Gemeinsame Betrachtung konkreter Alltagsaufgaben (z. B. Einkaufen), Neustrukturierung entsprechend der veränderten Voraussetzungen (individuelle Belastbarkeit) und unter Berücksichtigung der konkreten Kontextfaktoren (Einkaufsumgebung, Unterstützung durch Angehörige, Hilfsmittel etc.), Planung der Umsetzung im eigenen Alltag und ggf. gemeinsame Erprobung.
  • Erarbeiten von Umweltanpassungen, z. B. der häuslichen Umgebung (etwa durch die veränderte Lagerhaltung von Vorräten, um belastende Wege im Haushalt zu vermindern) oder auch am Arbeitsplatz (etwa durch die Neuanordnung von Arbeitsmitteln oder die Anpassung zeitlicher Abläufe an die eigene Belastbarkeit/ Energie-Management).
  • Hilfsmittelberatung (insbesondere Hilfen zur Mobilität und zur Selbstversorgung), Üben eines sicheren und selbstständigen Umgangs für den Alltag im Rahmen der Therapie (beispielsweise der Umgang mit einem Sauerstoffgerät und das Vermeiden von Gefahrenquellen, z. B. Sturz- oder Stolpergefahr durch den Sauerstoffschlauch); Anleitung von Angehörigen in der Unterstützung.
  • Übungen zum regelmäßigen Einsatz der Atemtechnik im Alltag bei körperlicher Aktivität (erlernt durch Atemphysiotherapie; z. B. Lippenbremse und atmungserleichternde Körperstellungen). Hierbei wird zudem das Tätigkeitstempo reflektiert und an die Atmung angepasst.

Die Verordnung einer Ergotherapie im Rahmen der ambulanten Versorgung ist sinnvoll, wenn Patient*innen im Alltag krankheitsbedingt im Bereich ihrer Aktivitäten und Teilhabe eingeschränkt sind. Aufgrund der Leitsymptomatik ergeben sich als vornehmliche Therapieoptionen dann die motorisch-funktionelle oder die sensomotorisch-perzeptive Behandlung. Sofern Patient*innen mit COPD die Praxis nicht mehr aufsuchen können, vor allem aber auch um eine an die tatsächlichen Lebens- und Umgebungsbedingungen angepasste Therapie zu ermöglichen, kann die Ergotherapie auch als Hausbesuch verordnet werden. 30371

4.6 Atmungsunterstützende Maßnahmen bei chronisch respiratorischer Insuffizienz

Dieser Abschnitt beruht auf den S2k-Leitlinien Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz 30473 und Langzeit-Sauerstofftherapie 30886. Für die konkrete Durchführung der Interventionen verweist die Leitliniengruppe auf die dort geltenden Empfehlungen (www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-008.html, www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-002.html).

Für die Diagnose einer respiratorischen Insuffizienz (Typ I oder Typ II) ist die Durchführung von Blutgasanalysen (BGA) notwendig. Diese dienen der Beurteilung der Schwere der Gasaustauschstörung, der Indikationsstellung bzw. der Einschätzung über ein Fortführen der Therapie oder der Kontrolle beim Beenden der Therapie.

4.6.1 Tabakentwöhnung vor Einleitung einer LTOT oder NIV

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-14

Vor Einleitung einer Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) oder einer außerklinischen nichtinvasiven Beatmung (NIV) soll allen rauchenden Patient*innen mit COPD erneut und dringlich die Tabakentwöhnung angeboten werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Um die Wichtigkeit der wirksamen Tabakentwöhnung bei Patient*innen mit COPD insbesondere auch im Hinblick auf die Gefahren des Rauchens bei atmungsunterstützenden Maßnahmen herauszustellen, hat die Leitliniengruppe konsensbasiert eine starke Empfehlung formuliert und diese explizit vor die Abschnitte zur Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) und außerklinischen nichtinvasiven Beatmung (NIV) gestellt. Sie erhofft sich, dass einerseits die einschneidende Maßnahme der Atmungsunterstützung als solche und andererseits die möglichen Gefahren, wie z. B. eine erhöhte Verbrennungsgefahr beim Rauchen und gleichzeitiger Sauerstofftherapie Patient*innen motivieren können, mit dem Rauchen aufzuhören. Darüber hinaus geht die Leitliniengruppe aufgrund ihrer klinischen Erfahrungen und ihrer Kenntnis der allgemeinen Evidenz zum Thema von vermutlich geringeren Effekten einer LTOT bei noch rauchenden Patient*innen mit COPD aus.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung beruht auf einem Expert*innenkonsens und wurde sowohl aufgrund der klinischen Erfahrungen der NVL-Arbeitsgruppe zur LTOT als auch in Anlehnung an die S2k-Leitlinie Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz 30473 formuliert.

4.6.2 Therapie der respiratorischen Insuffizienz Typ I

Bei einer pulmonalen Insuffizienz (respiratorische Insuffizienz Typ I) ist die Sauerstoffaufnahme gestört, jedoch nicht die Kohlendioxidabgabe.

4.6.2.1  Indikationen

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-15

Patient*innen mit stabiler COPD und einer chronischen hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz soll eine Langzeit-Sauerstofftherapie empfohlen werden bei

  • einem wiederholt gemessenem pO2 ≤ 55mmHg in Ruhe unter adäquater medikamentöser Therapie, oder
  • einem pO2 > 55 und ≤ 60mmHg, wenn zusätzlich eine sekundäre Polyglobulie (Hämatokrit ≥ 55%) und/oder ein Cor pulmonale mit und ohne Rechtsherzinsuffizienz vorliegen.

Starke Empfehlung

4-16

Die Indikation zur Verordnung einer Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) soll geprüft werden, wenn in einer stabilen Krankheitsphase der Verdacht auf eine chronische Hypoxämie (pulsoxymetrische Sättigung in Ruhe ≤ 92%) besteht.

Die alleinige Messung des SpO2 mittels Oxymetrie reicht zur Indikationsstellung einer LTOT nicht aus.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Die Leitliniengruppe hat sich nach Prüfung im multidisziplinären Gremium dazu entschieden, die Empfehlung analog der S2k-Leitlinie zur Langzeit-Sauerstofftherapie 30886 auszusprechen. Die identifizierte Evidenz unterstützt diese Formulierung.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlungen 4-15 und 4-16 beruhen auf einem Expert*innenkonsens und wurden mit den Ausführungen der S2k-Leitlinie zur Langzeit-Sauerstofftherapie 30886 abgeglichen. Vertreter aus der S2k-Leitlinie waren auch an der Arbeitsgruppe der NVL COPD beteiligt. Zudem wurden in der strukturierten Recherche nach aggregierter Evidenz 5 Cochrane-Reviews identifiziert 27039, 27034, 27014, 27005, 26999, die teilweise auf die Fragestellung anwendbar waren.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

In der strukturierten Recherche nach aggregierter Evidenz konnte ein Cochrane-Review 27039 gefunden werden, welcher die Effekte einer Langzeit-Sauerstofftherapie im Vergleich zu einer Placebo-Sauerstofftherapie oder anderen unspezifischen Interventionen bei Patient*innen mit COPD und bestehender Hypoxämie untersuchte. Cranston et al. 27039 zeigten hierbei, dass insbesondere bei Patient*innen mit schwerer Hypoxämie (arterieller PaO2 < 55 mm Hg) die Mortalität nach 60 Monaten verbessert werden konnte (45/100 vs. 67/100; Peto OR 0,42 (95% KI 0,18; 0,98); 1 RCT, n = 87, JADAD 3).

 Informationen Vertiefende Informationen: Blutgasanalyse und Pulsoymetrie

Zur Objektivierung der chronischen Hypoxämie wird in einer stabilen Krankheitsphase eine arterielle Blutgasanalyse (BGA) oder alternativ eine kapilläre BGA am hyperämisierten Ohrläppchen an mindestens 2 Messzeitpunkten durchgeführt. Erfolgt nur eine kapilläre BGA, so ist die Limitation dieser Technik zu berücksichtigen 30886.

Die Leitliniengruppe stimmt mit den Ausführungen der S2k-Leitlinie zur Langzeit-Sauerstofftherapie 30886 überein, dass eine pulsoxymetrische Sättigung ≤ 92%, gemessen in einer stabilen Krankheitsphase, zu einer nachfolgenden Bestimmung des PO2 mittels Blutgasanalyse führen müsse. In der S2k-Leitlinie wird davon ausgegangen, dass die SpO2 zwar eine hohe Sensitivität, aber eine geringe Spezifität für die Voraussage des PO2 hat.

Die S2k-Leitlinie Langzeit-Sauerstofftherapie 30886 sieht auch eine (schwächere) Indikation für eine LTOT, wenn keine Ruhehypoxämie (PaO2 > 60 mmHg), jedoch ein signifikanter Abfall des PaO2 unter Belastung (PaO2 < 55 mmHg) vorliegt.

4.6.2.2  Weiterverordnung bzw. Beenden

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-17

Die Indikation für eine Weiterverordnung der Langzeit-Sauerstofftherapie soll nach

  • einem stationären Krankenhausaufenthalt innerhalb von 4 Wochen, oder
  • einer ambulanten Einleitung im akuten Stadium der Erkrankung (Exazerbation) innerhalb von 4 Wochen, oder
  • einer ambulanten Einleitung im stabilen Stadium der Erkrankung innerhalb von 12 Wochen

überprüft und ggf. ein Auslassversuch unternommen werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Die Fortführung einer Therapie ohne fortbestehende Indikation bringt keinen Nutzen. Daher formuliert die Leitliniengruppe konsensbasiert eine starke Empfehlung für die Prüfung der Indikation, da sie dadurch Potenzial zur Verbesserung der Versorgung durch Vermeidung von Überversorgung sieht.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf einem Expert*innenkonsens. Die Inhalte der S2k-Leitlinie zur Langzeit-Sauerstofftherapie 30886 wurden mit in die Überlegungen einbezogen. Die Leitliniengruppe nimmt als Versorgungsproblem wahr, dass die Indikation zur Weiterverordnung der LTOT zu selten kritisch überprüft wird und diese daher möglicherweise zu häufig weitergeführt wird.

 Informationen Vertiefende Informationen: Postakute Sauerstoff-Therapie

Eine postakute Sauerstoff-Therapie, welche in einer Akutsituation im Krankenhaus eingeleitet wurde und aufgrund noch bestehender Sauerstoffpflicht bei Entlassung fortbesteht, kann beispielsweise auch nach einer Exazerbation der COPD erforderlich werden. Entsprechend den Empfehlungen der S2k-Leitlinie 30886 soll eine Reevaluation dieser Patient*innen durchgeführt werden, um zu klären, ob auch nach dem akuten Ereignis bei klinischer Stabilität und erwartungsgemäß verbesserter Oxygenierung weiterhin die Indikation für eine Sauerstofftherapie, dann in Form einer LTOT, vorliegt. 30886 Die Leitliniengruppe weist in diesem Zusammenhang auf die Durchführung von 3 BGAs für die Evaluierung einer weiter bestehenden chronischen Hypoxie hin.

In diesem Zusammenhang wird an dieser Stelle auch die "Klug Entscheiden" Empfehlung der DGP von 2016 30211 zum Thema der Langzeit-Sauerstoftherapie dargestellt: "Bei Patienten, denen im Krankenhaus wegen einer akuten Verschlechterung ihrer Erkrankung eine Langzeit-Sauerstofftherapie verordnet wurde, soll ohne Überprüfung der Notwendigkeit (weiter andauernde Hypoxämie) keine Weiterverordnung erfolgen." 30211

Das Beenden einer Langzeit-Sauerstofftherapie (Auslassversuch) ist nach Meinung der Leitliniengruppe auch ambulant möglich. Hierzu kann beispielsweise der PaO2 nach einer Stunde ohne Sauerstoffzufuhr geprüft und dann individuell entschieden werden, ob eine weitere Sauerstoffgabe bzw. eine Anpassung der Sauerstoffzufuhr notwendig ist.

4.6.3 Therapie der respiratorischen Insuffizienz Typ II

Die ventilatorische Insuffizienz (respiratorische Insuffizienz Typ II) ist eine Störung sowohl der Sauerstoffaufnahme als auch der Kohlendioxidabgabe 30473.

Im Falle einer kombinierten Störung (ventilatorische und pulmonale Insuffizienz) ist auch eine Sauerstoffgabe zusätzlich zur Beatmungstherapie möglich.

4.6.3.1  Indikationen

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-18

Bei Patient*innen mit stabiler COPD und symptomatischer chronischer ventilatorischer Insuffizienz soll eine außerklinische nichtinvasive Beatmung (NIV) in folgenden Situationen empfohlen werden:

  • chronische Tages-Hyperkapnie mit PaCO2 ≥ 50 mmHg, und/oder
  • nächtliche Hyperkapnie mit PaCO2 ≥ 55 mmHg, und/oder
  • milde Tages-Hyperkapnie mit 46-50 mmHg und Anstieg des PtcCO2 um ≥ 10 mmHg während des Schlafs.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Die Leitliniengruppe hat sich nach Prüfung im multidisziplinären Gremium dazu entschieden, konsensbasiert die Empfehlung analog der S2k-Leitlinie Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz 30473 auszusprechen.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf einem Expert*innenkonsens und wurde mit der S2k-Leitlinie Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz abgeglichen 30473. Zudem wurden in der strukturierten Recherche nach aggregierter Evidenz zwei Cochrane-Reviews identifiziert 27021, 27006, welche teilweise auf die Fragestellung anwendbar waren.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

In der strukturierten Recherche nach aggregierter Evidenz konnte ein Cochrane-Review 27006 gefunden werden, welcher die Anwendung nächtlicher NIV mit positivem Druck (engl: nocturnal non-invasive positive pressure ventilation) zusätzlich zu einer Standardtherapie im Vergleich zu letzterer alleine bei Patient*innen mit COPD untersuchte. Die eingeschlossenen Patient*innen (n = 245) hatten einen durchschnittlichen PaCO2 von 53 mmHg. Es ergaben sich Hinweise, dass die Interventionsgruppe tendenzielle Verbesserungen hinsichtlich der Trainingskapazität nach 3 Monaten (6MWD: MD 27,7 m (95% KI -11,0; 66,3), 3 RCTs, n = 40, Evidenzqualität niedrig) und der Lebensqualität nach 12 Monaten (SGRQ: MD 0,9 (95% KI -19,21; 21,01), 2 RCTs, n = 103, Evidenzqualität niedrig) erzielen konnte – Struik et al. 27006 fassen dies jedoch als nicht statistisch oder klinisch signifikant zusammen.

 Informationen Vertiefende Informationen: Blutgasanalyse; Einbindung Gesundheitsberufe

Die ventilatorische Insuffizienz wird durch die blutgasanalytische Bestimmung des arteriellen PCO2 diagnostiziert. Eine Bestimmung des PCO2 ist unter Umständen auch kapillär aus dem hyperämisierten Ohrläppchen möglich, hierzu muss jedoch eine ausreichend gute Kreislaufperfusion vorhanden sein. Eine venöse BGA allein reicht nicht aus, um eine relevante Hyperkapnie aufzuzeigen.

Die auftretende respiratorische Azidose wird metabolisch durch Bikarbonatretention kompensiert. 30473 Aus diesem Grund möchte die Leitliniengruppe explizit auf die Messung des Serum-Bikarbonates (zusammen mit dem pH-Wert) und auf die richtige Interpretation eines erhöhten Wertes eingehen. Diese können nämlich Hinweise auf eine relevante Hyperkapnie ergeben, auch wenn an anderer Stelle normokapnische Werte gemessen wurden. Dann ist eine erneute BGA angezeigt 30473.

Eine chronische ventilatorische Insuffizienz mit Hyperkapnie kann mit den Symptomen Tagesmüdigkeit, Persönlichkeitsänderung, Tachypnoe und/oder Tachykardie einhergehen 30473. Auch die Kapazität der Atemmuskulatur ist womöglich vermindert. Dies kann bis hin zu einer atemmuskulären Überbeanspruchung führen.

Die S2k-Leitlinie 30473 sieht die Verantwortung für die Einleitung einer NIV grundsätzlich bei einem Arzt oder einer Ärztin. Alternativ ist auch eine Delegation an Atmungstherapeut*innen, Fachpflegekräfte oder andere speziell geschulte medizinische Assistenzberufe möglich; eine räumliche Anwesenheit des Arztes oder der Ärztin ist bei geeigneten Kommunikationswegen nicht zwingend erforderlich. Insgesamt liegt die Verantwortung für diesen Prozess (Indikationsstellung, Einleitung der NIV, Auswahl des Beatmungszubehöres) jedoch im Verantwortungsbereich der Ärzt*innen bzw. des Zentrums für außerklinische Beatmung. Eine eigenverantwortliche Einstellung durch Mitarbeiter*innen von Geräteprovidern ist abzulehnen. 30473

Zur aktiven Einbindung anderer Gesundheitsberufe in die allgemeine Versorgungsplanung wurde auch Empfehlung 7-8 formuliert.

Ausführliche Informationen zur Organisation der außerklinischen Beatmung und bezüglich notwendiger Qualifikationen für die außerklinische Beatmungspflege finden sich in der S2k-Leitlinie Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz 30473 (www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-008.html).

4.6.3.2  Kontrollhäufigkeit

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-19

Bei außerklinisch nichtinvasiv beatmeten Patient*innen mit COPD sollen

  • die erste Kontrolluntersuchung mit nächtlicher Diagnostik innerhalb der ersten 4-8 Wochen nach NIV-Einleitung, und
  • weitere Kontrollen mindestens ein- bis zweimal jährlich (abhängig von der Stabilität und Progression der COPD-Erkrankung sowie der Qualität der bisher erreichten Einstellung)

erfolgen und ein Weiterbestehen der Indikation geprüft werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Durch die erste stationäre Kontrolle können mögliche Fehlerquellen behoben und Beatmungsparameter angepasst werden. Deshalb schätzt die Leitliniengruppe diese Kontrolle als unverzichtbar ein und spricht konsensbasiert eine starke Empfehlung aus. Der Zeitraum von 4-8 Wochen beruht auf klinischer Erfahrung und ist weit gefasst, um individuell unterschiedlichen Voraussetzungen gerecht zu werden. Alle weiteren Kontrolluntersuchungen bei außerklinisch nichtinvasiv beatmeten Patient*innen mit COPD sind nach Einschätzung der Leitliniengruppe dann ggf. auch ambulant möglich, wenn eine ausreichende Expertise der Behandelnden für die NIV vorliegt. Ist dies nicht sicher gegeben, ist im Sinne der Patientensicherheit eine stationäre Kontrolle einer ambulanten vorzuziehen.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf den klinischen Erfahrungen der Leitliniengruppe (Expert*innenkonsens) und wurde mit den Inhalten der S2k-Leitlinie Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz 30473 abgeglichen.

4.6.3.3  Beenden

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

4-20

Das Beenden einer außerklinischen nichtinvasiven Beatmung soll individuell von dem oder der Behandelnden geprüft und gemeinsam mit dem Patienten oder der Patientin entschieden werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Eine außerklinische Beatmung zu beenden bedarf der individuellen Abwägung und Planung. Dies liegt einerseits an den unterschiedlichen Konstellationen, die zu einer NIV führen können wie auch an den individuell verschiedenen Settings, die das Beenden unterstützen können. Beispielsweise kann eine NIV zunächst nach einer Akutsituation eingeleitet worden und dann in eine Langzeittherapie übergegangen sein. Die Hyperkapnie kann sich zwischenzeitlich normalisiert haben, so dass in dieser Situation ein Beenden der NIV beraten werden kann. Die Leitliniengruppe spricht konsensbasiert eine starke Empfehlung aus, die einerseits die Wichtigkeit betont, auch bei den komplexen Umständen der NIV den Fortbestand der Indikation wiederholt zu prüfen, andererseits aber der Notwendigkeit eines individuell angepassten Vorgehens gerecht wird. Dies soll dazu beitragen, Überversorgung zu vermeiden.

 Evidenzgrundlage Evidenzbasis und Versorgungsproblem

Die Empfehlung basiert auf einem Expert*innenkonsens. Die Leitliniengruppe nimmt als Versorgungsproblem wahr, dass die Indikation zum Beenden einer NIV zu selten geprüft wird.

 Informationen Vertiefende Informationen: Strukturiertes Entlassmanagement

Besonders am Beispiel der NIV wird deutlich, welche Rolle die intersektorale Kommunikation und Koordination bei der Behandlung von Patient*innen mit COPD spielt. Daher betont die Leitliniengruppe an dieser Stelle auch noch einmal die Wichtigkeit eines strukturierten Entlassmanagements und der intensiven ambulanten Betreuung nach einem Klinikaufenthalt (siehe Empfehlung 7-15).

Insbesondere Ärzt*innen mit Erfahrung in der außerklinischen Beatmung oder Expert*innen speziell auf diesem Gebiet sind für eine Beratung aufgrund der möglichen Komplexität der Beurteilung hinzuzuziehen.

4.7 Psychosoziale Interventionen

 

4.7.1 Psychosomatische Einschätzung

 Hintergrund Stellenwert und Hintergrund

Aufgrund der hohen Prävalenz und prognostischen Bedeutung psychischer/psychosomatischer Komorbiditäten – insbesondere von Angst und Depression – ist ein entsprechendes Screening Bestandteil der initialen Diagnostik (siehe Kapitel 2.5.2 Angst und Depression). Psychische Symptome können auch in unmittelbarem Zusammenhang der COPD-Erkrankung auftreten (beispielsweise Angst im Rahmen einer Exazerbation). Beide Umstände rechtfertigen, psychischer Komorbidität und Symptomatik besondere Aufmerksamkeit zu widmen, um im Bedarfsfall zügig gezielte Behandlungsangebote zu machen. Die Leitliniengruppe möchte in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer psychosomatischen Facheinschätzung z. B. im Rahmen eines Konsils – bzw. eine Weiterbehandlung im Sinne der psychosomatischen Grundversorgung hinweisen.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

In der strukturierten Recherche nach aggregierter Evidenz konnten zwei Cochrane-Reviews zum Thema identifiziert werden. Pollok et al. 29451 liefern Anhaltspunkte, dass eine psychologische Therapie zusätzlich zu einer pulmonalen Reha (bestehend aus körperlichem Training, Atmung und Schulungselementen) depressive Symptome reduzieren kann (SMD 0,37 (95% KI -0,00; 0,74); I² = 0%, 2 RCTs, n = 112, Evidenzqualität sehr niedrig).

Ein weiterer in der strukturierten Recherche gefundener Cochrane-Review 27054 untersuchte die Anwendung von psychologischen Verfahren zur Therapie der Angst bei Patient*innen mit COPD. Im Vergleich zu Schulung oder keiner Intervention konnten auch hier Verbesserungen hinsichtlich einer Angstsymptomatik (MD -0,41 (95% KI 
-8,28; -0,53); I² = 62%, 3 RCTs, n = 319, Evidenzqualität niedrig), der Lebensqualität (SGRQ/SF36 physical composite: SMD -0,40 (95% KI -0,88; 0,08); I² = 61%, 2 RCTs, n = 289, Evidenzqualität niedrig; SGRQ/SF36 emotional composite: SMD -0,30 (95% KI -1,03; 0,44); I² = 82%, 2 RCTs, n = 289, Evidenzqualität niedrig) und der körperlichen Leistungsfähigkeit (6MWD: MD -2,78 (95% KI -58,49; 52,94); I² = 80%, 2 RCTs, n = 268, Evidenzqualität niedrig) aufgezeigt werden.

Eine selektiv eingebrachte systematische Übersichtsarbeit 30465 untersuchte den Effekt psychosozialer Interventionen in Verbindung zu körperlichem Training oder umfassender pulmonaler Rehabilitation bei Patient*innen mit COPD oder ACO im Vergleich zu allen anderen Interventionen ohne diese Kombination. Hier fanden sich Hinweise darauf, dass ein zusätzliches Element der psychologischen Behandlung über körperliches Training oder andere Vergleichsinterventionen hinaus positive Effekte auf Dyspnoe (SMD range -0,35; -0,97), Angst (SMD range -0,13; -1,00), Depression (SMD range -0,11; 1,27) und körperliche Belastbarkeit (SMD range 0,64; 0,71) erzielen kann. Wegen der großen Heterogenität der Studien konnte keine Metaanalyse durchgeführt werden, und die eingeschlossenen Studien hatten teilweise ein hohes Verzerrungsrisiko.

 Informationen Vertiefende Informationen: Psychosomatische Grundversorgung, Therapie

Entsprechend ausgebildete Haus- und andere Fachärzt*innen können im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung 28763 Maßnahmen zur Versorgung psychisch kranker Menschen anbieten. Im Wesentlichen umfasst dies Gesprächsangebote zur Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung und in Krisensituationen, aber auch niedrigschwellige psychosoziale Interventionen (z. B. verbale Interventionen, Entspannungsverfahren, Stressbewältigungstechniken, soziale Hilfen und Entlastung). Stellt sich nach 4 Wochen keine Besserung der psychischen Symptomatik ein, ist für eine weiterführende Diagnostik und fachspezifische Behandlung dann die Überweisung an andere Fachgruppen (Psychosomatik, Psychiatrie, Psychotherapie) empfehlenswert.

Da Angst und Depression bei Patient*innen mit COPD auch im Rahmen der Rehabilitation einen großen Stellenwert einnehmen, weist die Leitliniengruppe auf die Wichtigkeit psychologischer Angebote in diesem Setting hin.

Zu konkreten therapeutischen Maßnahmen psychischer Komorbiditäten siehe die jeweiligen Leitlinien NVL Unipolare Depression (www.leitlinien.de/depression; zum Zeitpunkt des Erscheinens der NVL COPD in Überarbeitung); S3 Angststörungen (www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051-028.html; zum Zeitpunkt des Erscheinens der NVL COPD in Überarbeitung); S3 Posttraumatische Belastungsstörungen (www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051-001.html); S3 Funktionelle Körperbeschwerden (www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051-001.html). 

 Patientenblatt Patienteninformation

Zur Unterstützung der Aufklärung und Beratung der Patient*innen wurde das Patientenblatt "Warum alltägliche und seelische Belastungen wichtig werden können" (siehe Patientenblätter) entwickelt.

4.7.2 Arbeitsmedizinische und sozialmedizinische Beratung

 Hintergrund Stellenwert und Hintergrund

Um Patient*innen mit COPD hinsichtlich der Ausübung ihres Berufes beraten zu können, werden arbeitsmedizinische und sozialmedizinische Aspekte in diesem Zusammenhang betrachtet. Dies kann durch Ärzt*innen (bspw. in Reha-Einrichtungen) mit sozialmedizinischer Zusatzweiterbildung, sozialmedizinische Dienste der Rentenversicherungsträger, Fachärzt*innen für Arbeitsmedizin oder Betriebsmediziner*innen durchgeführt werden. Im Rahmen einer sozialmedizinischen Begutachtung 30464 können die Leistungsfähigkeit der Patient*innen eingeschätzt und entsprechende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. Umschulungen oder innerbetriebliche Umsetzungen) individuell eingeleitet werden 30463.

Neben dem Einbeziehen von klinischen und apparativen Befunden für die Beurteilung werden auch tätigkeitsbezogene Belastungsfaktoren und andere mögliche Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz betrachtet, um die individuelle Belastbarkeit bei COPD einzuschätzen. Beispiele hierfür werden in "Leitlinien für die Sozialmedizinische Begutachtung: Leistungsfähigkeit bei chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) und Asthma bronchiale" der Deutschen Rentenversicherung ausführlich dargestellt (www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_fu

NVL COPD, 2. Auflage, 2021. Version 1

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